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Ruf ins Jenseits

Ruf ins Jenseits

Titel: Ruf ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harwood
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Termin, wissen Sie. Es freut mich, Sie kennengelernt zu haben, Mrs   Wraxford, und ich freue mich darauf, an diese Bekanntschaft in Bälde anzuknüpfen.»
    Sein Aufbruch wirkte zu arrangiert, als dass mich die Tatsache, dass nun keine zwei Ärzte mehr zugegen waren, hätte beruhigen können. Ich hatte erwartet, dass Magnus in seiner Rede fortfahren würde, stattdessen wandte sich Mrs   Bryant an mich.
    «Wenn man sich ansieht, wie weit verbreitet die Vorurteile sind, kann man sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen. Wissen Sie, dass mein eigener Sohn versucht hat, mich in eine Irrenanstalt einweisen zu lassen, bloß weil ich zu Mr   Harpers spiritistischen Sitzungen ging?»
    Ich schüttelte mechanisch den Kopf.
    «Und so, Mrs   Wraxford», fuhr sie fort, «verstehen Sie sicherlich unsere Schwierigkeiten. Ich bin so tief enttäuscht worden von spiritistischen Medien   – Mr   Harper eingeschlossen, wobei das nicht das ungeheuerliche Handeln meines Sohnes entschuldigt   –, dass ich die Hoffnung beinahe aufgegeben hatte, mit meinem Vater jemals wieder in Kontakt zu treten, als Ihr Ehemann   … Es ist so erfrischend, einem Mann der Wissenschaft, der eine so natürliche Offenheit besitzt, zu begegnen   … Aber um zum eigentlichen Punkt zu kommen. Soweit ich verstanden habe, Mrs   Wraxford, sind Sie ein begabtes Medium, weigern sich aber, Ihre Gabe zu nutzen.»
    Für einen endlosen Moment war ich sprachlos, während mich Mrs   Bryant mit gespielter Besorgnis anblickte. Dann errötete ich und hörte meine eigene Stimme.
    «Nein, Mrs   Bryant, Sie irren sich. Es ist ein Fluch, keine Gabe; ich habe keine Kontrolle darüber und würde es, auch wenn ich könnte, nicht ausüben. Und nun müssen Sie mich entschuldigen. Ich warte in der Kutsche.»
    Ich erhob mich und wandte mich um, ohne Magnus anzublicken. Ich ging auf die Tür zu, meine Beine schienen mich kaum zu tragen, und betete nur, nicht im Zimmer zusammenzubrechen. Wut hielt mich aufrecht auf dem Weg die Stufen hinab und auf das Straßenpflaster hinaus, wo ein verwirrter Alfred mir in die Kutsche half. Erst als ich saß, am ganzen Körper zitternd, wurde mir klar, dass ich Magnus in die Hände gespielt hatte. Ich realisierte auch, dass ich meine Demütigung selbst verschlimmert hatte mit der Bemerkung, ich würde warten. Aber noch ehe ich mich dazu entschlossen hatte, Alfred zu sagen, er solle losfahren, erschien Magnus auf der Treppe.
    Zu meiner Überraschung schien er guter Dinge, als er sich neben mir niederließ.
    «Ich muss mich entschuldigen, Liebling», sagte er liebenswürdig,«für Mrs   Bryants Taktlosigkeit. Wie du gesehen hast, ist sie es gewohnt, dass alles nach ihrem Willen verläuft.»
    «Warum hast du – wie konntest du   …»   … mich so demütigen, wollte ich sagen, aber die Worte erstarben, als ich an die Demütigung dachte, die ich ihm zugefügt hatte.
    «Liebling, da unser Verhältnis etwas – angespannt ist, dachte ich, dass es besser ist, wenn Mrs   Bryant diese Bitte vorbringt, als wenn ich es tue.»
    «Wie konntest du das nur denken?», schrie ich. «Es wäre mir hundertmal lieber gewesen, du selbst hättest mich gefragt – nicht, dass ich mein Einverständnis gegeben hätte   –, als dass du mich vor dieser eitlen, vulgären Frau bloßstellst   …» Es lag mir auf den Lippen, die Worte «die entweder deine Liebhaberin ist oder es wenigstens sein möchte» hinzuzufügen, konnte aber gerade noch rechtzeitig an mich halten.
    «Eitel und vulgär mag sie sein, Liebling, aber sie ist auch eine langjährige Förderin. Sie hat bereits sehr zu meiner Arbeit beigetragen, und wenn wir das Glück haben sollten, Zeugen einer genuinen Erscheinung in Wraxford Hall zu werden, ist uns ihre Großzügigkeit gewiss   … Und deswegen bitte ich dich, deine Absage zu überdenken.»
    «Mit anderen Worten: Du möchtest, dass ich bei einem Betrug mitspiele.»
    «Du solltest mich besser kennen, Liebling. Es handelt sich um ein wissenschaftliches Experiment, durchgeführt vor einer Zeugin. Es bedarf nur deiner Gegenwart, das versichere ich dir.»
    «Du erwartest also von mir, dass ich mit euch zu dem unseligen Ort komme, an dem mein – an dem Edward starb?»
    «Ja, Liebling.» Er sagte das in demselben freundlichen Ton, aber nun war ein Unterton in seiner Stimme, der so stählern klang wie ein Schwert, das aus der Scheide gezogen wird.
    «Und – wenn ich ablehne?»
    «Ich bin mir sicher, dass du das nicht tun wirst, Liebling.

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