Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
verschiedenfarbigen Reißzwecken gehalten. »Sehr geehrte Mieter«, heißt es in eigenwilliger Schreibart, »in dem Container wurde in der Vergangenheit Gerümbel entsorgt. Auserdem lag der Hausmüll neben den Mülltonnen so dass Ungeziefer angelockt wurde. Wer von den Mietern dazu nähere Angaben machen will kann folgende Telefonnummer anrufen. Die Angaben werden vertraulich behandelt.« Der federführende Legastheniker der kommaphoben Selbsthilfegruppe ist zu meiner Erleichterung »nach Diktat vereist«.
Ich picke mir wahllos einen Nachnamen aus der Briefkasten-Front. Den unsympathischsten, einen Doppelnamen: Schörg-Oppowa. Dann suche ich den Nachnamen von Maik und Mändy, weil ich denen prinzipiell eins reinhauen will. Die heißen auch noch Schlunz, M & M Schlunz, als ob es nicht schon so reichen würde. Dann greife ich nach meinem Handy, stecke es aber gleich wieder ein und gehe raus zur Telefonzelle, falls die Biester ISDN haben. Dann wähle ich die angegebene Petz-Nummer der Hausverwaltung. Weil ich das cool finde, lege ich ein Tempo über die Muschel, halte mir zusätzlich die Nase zu und melde mich mit Schörg-Oppowa. Knapp und präzise gebe ich an, Herrn und Frau Schlunz mehrfach bei Müllcontainer-Vergehen beobachtet zu haben, und liefere eine eins a Täterbeschreibung. Nachher finde ich zwar, es wäre passender gewesen, die Schlunzens denunzieren zu lassen, aber da ist es schon zu spät und auch egal.
Meine Wohnungstür finde ich offen, obwohl ich schwören könnte, zweimal abgeschlossen zu haben. Ich suche unter dem Bett, im Schrank und auf dem Balkon, sogar im Klo und im Kühlschrank, finde aber keinenEinbrecher, auch keine Spur. Die Alarmanlage ist mal wieder im Eimer, und ich rufe den Hausmeister an. BILD titelt: STUTTGARTER MILLIONÄRIN (HAUSHAHN AUFZÜGE) BEIM GOLFEN VON ELEFANT TOTGETRAMPELT – ES GESCHAH BEI LOCH 9. Die Zeile ist lustig, aber zum Ausschneiden zu lang. Mein neuer Fernseher ist noch größer und flacher als der alte von Sony. Aber auch das haut mich nicht vom Hocker. Ich nehme den Telefonhörer ab. Das Freizeichen wühlt sich krallenscharf in mein Ohr. Ich wähle Valmonts Nummer. Und lege sofort wieder auf. Ohne abzuwarten. Errötend. Mit rasendem Herzschlag.
Das Thema bei
Bärbel
ist: »Vor meinen Brüsten haben alle Männer Angst.« Die Hauptanklägerin hat ein dümmliches Teiggesicht und einen Pagenkopf. Ihr Anblick ruft unangenehme Gefühle in mir wach. Irgendwo habe ich diesen behäbigen Unterkiefer schon gesehen. Und dieses Kapotthütchen … Jetzt weiß ich! Sie sieht aus wie Kitty. Was aber nicht sein kann, da Kitty sich meines Wissens eigentlich nicht im Besitz von Brüsten befindet, schon gar nicht von solchen, vor denen alle Männer Angst haben. Ich knie vor dem Fernseher und krieche immer näher an den Bildschirm; durch einen Wust aus Nagellackfläschchen, Vibratoren, zerknüllten Tempos, Apfelsinenschalen, fein abgenagten Hühnerknochen, Laptop, Handy, Pinzette, massig Fernbedienungen und Geschäftsunterlagen. Tatsächlich beulen den Pullover des Kitty-Klons monströse Titten, BH 90 Doppel-D, mindestens. »Das fing irgendwie schon als Kind an«, erzählt sie mit leiernder Stimme. Kein Zweifel, sie isses!
29. Die letzte Bastion der Keuschheit wankt
Irgendwie erleichtert es mich, dass Kitty auch bekloppt ist. Fast steigt sie in meiner Achtung. Sinken wäre auch schon gar nicht mehr gegangen. Das mit den gefakten Titten rechtfertigt unsere Bekanntschaft, postum sozusagen.
Es klingelt an der Wohnungstür. Mein Herz stockt nicht mal. Das kann nicht Valmont sein. Es ist Robert. Er will mich schnell im Büro vorbeifahren, auf dem Weg zum Kino. Natürlich ist er angemeldet. Die Ich-war-grad-in-der-Gegend-und-dachte-ich-schau-mal-rein- Attitüde habe ich ihm längst abgewöhnt. Unglaublich, aber man erkennt am Klingeln, dass es Robert ist. Sein schwerer Daumen drückt ebenso sinnlos stark und ausgiebig auf den Klingelknopf, wie sein Kaumuskel kaut. Ansonsten ist Robert ein Schlappschwanz und tut auch gar nicht erst so, als ob er keiner wäre. Er gefällt sich in der Rolle des von des Gedankens Blässe angekränkelten Musikers, der seine zarten Hände schonen muss. Aber an der Klingelei wird deutlich, dass er kein Künstler, sondern vielmehr ein grobschlächtiger Handwerker ist. Heizungs-, Lüftungs- und Violinentechnik.
»Hallo?«, ruft er rau und gedehnt in die Sprechanlage. Seine Stimme klingt, als hätte man Ötzi das Sprechen beigebracht. Aus folgenden zwei Gründen
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