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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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resistent sind, oder wie wollen Sie mir all den Schmutz hier erklären?«
    Er sieht sich verdutzt in meinem blitzblanken Vorzimmer um. »Den Schmutz?«, fragt er ehrlich erstaunt, während ich ein imaginäres Etwas vom Fußboden aufhebe. »Wir haben doch gestern erst …«
    »Wir? Wer ist wir? Sind Sie der König oder der Erzbischof?«
    »Ähm … ich! Ich habe erst gestern …«
    »Schamhaare!! Überall Schamhaare! Ich werde wahnsinnig! So kann ich nicht arbeiten!«
    »Schamhaare?«, fragt Fred ungläubig. Das bringt mich noch mehr auf. »Warum wiederholen Sie alles? Wie heißt Ihr Leiden? Echolalie?«
    »Verzeihung!«
    »Vielleicht bin ich hier auch nur von Idioten umgeben?«
    »Vielleicht!«
    Das Keifen verschafft mir Erleichterung. Gut, dass es Fred gibt! Er ist mein Schleppdepp, mein Chauffeur, mein Hofnarr und mein Prügelknabe. Er ist jovial, penibel – und er ist da, wenn man ihn braucht. Fred gelobt zerknirscht Besserung und wird wahrscheinlich in zwei Minuten die polnische Putzfrau falten.
    »Noch was?«, frage ich gefährlich leise, weil er stehen bleibt. Er räuspert sich und pfeift durch die Nase.
    »Hören Sie SOFORT damit auf!«
    »Womit?«
    Fred guckt wie einer, der bereit ist, sofort mit allemaufzuhören, inklusive Atmen. Er will es mir recht machen. Lieber beißt er sich die Zunge ab, als in die Hand zu beißen, die ihn füttert.
    »Mit diesem Geräusch. Dasja furchbar!«
    Jetzt ist er richtig zerknirscht. »Ich hab doch Polypen«, sagt er weinerlich. Und dann, etwas beherzter: »Herr Pastor von Philips hat schon dreimal angerufen wegen der Kampagne für die Spracherkennungssoftware.«
    Verdammt. »Aha. Danke. Und sonst?«
    Er legt den Kopf schief, schiebt die Unterlippe vor und macht auf niedlich. »Sie haben den ganzen Tag Termine.« Ich packe die Klinke meiner gläsernen Bürotür. »Erinnern Sie mich, dass ich zwischendurch atme!« Tür zu. Tür wieder auf. »Ach, und sorgen Sie dafür, dass ich beim Atmen keine Schamhaare aspiriere!« Tür wieder zu und wieder auf. »Und lassen Sie sich verdammt noch mal Ihre Nase operieren!« Tür zu. Rumms! Die Scheibe ist hin!
    Draußen schluchzt eine Sekretärin, die bis eben mit dem Eifer eines Duracell-Häschens durchgetippt hat.
    »Lassen Sie mal, Frau Dobel«, sagt Fred, denn er gibt den Souveränen: »Wer grundlos böse wird, der wird auch grundlos wieder gut.«

31. MenschInnen
    Ein ganz normaler Abend. Ich bin vielleicht etwas angestrengt von der Konversation mit meinem Friseur (»Waißt du, Frau Kramer, wir müssn dasn bisschen stufen, oben antoupiern und unten glattfön! Dann siehste auch nich mehr so aus wie Frau Berben! Dann sieht das sehr glämmer aus! Sehr glämmer!«). Ich bin vielleicht etwas sauer, weil diese Dreckstölen wieder mal den ganzen Kudammflächendeckend vollgeschissen haben und ich heimtänzeln muss wie Fred Astaire, aber sonst ist eigentlich alles wie immer. Aus der Haustür tritt gerade ein Scharping-Double, wir nicken uns überaus flüchtig zu. Scharping hält mir die Tür auf, ich brauche also nicht aufzuschließen. Im Briefkasten nur Reklamemüll, den ich wie immer bei M & M Schlunz reinstopfe. Durch einen Spalt im Kasten erwische ich den Zipfel der Stromrechnung von M & M. Ich schmeiße sie weg.
    Niemand im Lift, Gott sei Dank! Ich rechne stets mit dem Schlimmsten. Als ich aussteige, steigt ein dicker Mann mit Regenmantel ein. Grußlos davongekommen! Dann durch die Holztür raus in den Laubengang, in dem drei mickerige Topfpflanzen ihr Leben aushauchen und schon teilweise mumifizieren. Von hier aus sehen die Apartments aus wie die Zimmer von Bates’ Motel in
Psycho
. Die zweite Tür ist meine.
    Wenn man nach Hause kommt, läuft alles mechanisch ab. Ich bin in einem Zustand, in dem man Sachen anstarrt, ohne sie wahrzunehmen. Plötzlich ist irgendwas mit dem Schlüssel. Er passt ins Schloss, lässt sich aber nicht drehen. Nicht nach links, nicht nach rechts. Und raus geht er auch nicht mehr. Ich also am Fluchen, grapsche mit der anderen Hand nach meinem Handy, um den Hausmeister anzurufen oder den Schlüsseldienst. Da plötzlich sehe ich, wie sich hinter der Jalousie etwas bewegt. In meiner Wohnung! An meinem Fenster! So konkrete Formen hatte mein Verfolgungswahn bis dahin selten angenommen. Paranoide Schizophrenie? Manisch-depressive Psychose? Ich starre abwechselnd auf die Jalousie und auf das Display meines Handys. Ob ich gleich meinen Psychiater anrufe? Oder die Polizei! Oder Valmont?
    Und nun passiert das eigentlich

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