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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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bin ich gereizt: Es ist nicht Valmont. Und er soll ja nicht glauben, dass ich ihn an der Stimme erkenne. Das reißt mir gar nicht erst ein! Hallo zu rufen ist in diesem Fall der Job des Besuchten, also meiner. Und nicht der des Besuchers.
    »Wer ist da?«, rufe ich scharf.
    »Du liebe Güte«, bollert er. »Ich bin’s.«
    »Wer ich?«, frage ich aus blankem Sadismus.
    »Narobert«, sagt Robert.
    »Ach!«, sage ich, und nach einer kleinen enttäuschten Pause:
»Du?«
und drücke auf den Summer.
    Mein Verhältnis zu Robert ist alles andere als körperlich. Haben wir uns überhaupt jemals berührt? Schwer vorstellbar. Er ist irgendwie körperlos. Wir kommunizieren außerphysisch. Meist öffne ich ihm die Tür, er stiefelt, einen Gruß murmelnd, an mir vorbei, direkt auf einen bestimmten Stuhl zu, auf dem er eben immer sitzt. Ich habe schon mehrere Experimente gemacht, um ihn von dieser Route abzubringen: Sachen auf den Stuhl gelegt (er nahm sie runter), mich selbst draufgesetzt (er blieb stehen und ignorierte fünf weitere identische Stühle), den Stuhl woanders hingestellt (er fand ihn und brachte ihn mechanisch zurück an seinen Platz). Von einer Orchestertournee nach Las Vegas hat er sich einen schwarzen Stetson mitgebracht, mit dem er extrem bescheuert aussieht. Allerdings liegt es mir fern, ihm das zu sagen. Kritisierte ich den Hut, so entstünde der Eindruck, ich fände seine restlichen Klamotten gut: die achselnahe zementgraue Lederjacke mit Strickbündchen, den fusseligen, eng am Hals geknoteten Fünf-Mark-Schal, die weinroten Billigjeans, die Plastikschuhe von C & A. Robert ist dieser Typ Mann, der, selbst wenn er sich schick macht, aussieht wie ein Kaufhausdetektiv. Oder dann erst recht.
    Also fange ich gar nicht erst an, sondern ermahne mich, Robert als Gesamtkunstwerk zu begreifen. Als eine Art Laune der Natur und nicht als visuellen Leberhaken. Er legt den Stetson auf den Tisch und gibt den Blick frei auf seine unsägliche seitengescheitelte Haarmatte im Broiler-Look.
    Robert redet. Und wenn Robert redet, dann gibt es kein Vertun. Kaum fasst er einen Gedanken, so kommt schonder nächste und rennt den ersten um. Er hat diesen Kippschalter im Hirn, der entweder auf »Reden« oder auf »Zuhören« steht. Das macht ähnlich wie bei einer Einwegsprechanlage den Dialog, wie wir ihn kennen, unmöglich. Ich kann sagen: »Ich bin Ehrenmitglied der Hisbollah«, »Ich geh jetzt in die Küche und pinkel auf den Fisch«, »Ich habe den Papst angezündet« oder »Dein Friseur gehört erschossen!« Er brabbelt: »… muss erst ausreden« oder »… im Moment als solches nicht mein Thema«.
    Er weist eine Spur zu lässig auf ein Gruppenfoto unter der BILD-Schlagzeile: ABBADO SCHMEISST HIN – PHILHARMONIKER VOR DEM AUS? »Ich bin übrigens in der Zeitung«, sagt er.
    »Als Frisur der Woche?«, frage ich.
    »Hm«, sagt Robert. Es ist ein kurzes strenges Hm, das eher wie ein Räuspern klingt und von einem Halsrucken begleitet wird. Es ist, als wollte er den Witz, den er weder billigt noch versteht, wie einen Kopfball zu mir zurückwerfen. Er ist nun mal geschlagen mit dieser Humorlosigkeit, die ihresgleichen sucht. Ich habe ihn auch nie lächeln sehen. Undenkbar, dass er lächelt. Manchmal öffnet er den Mund und sagt »Haha«. Im äußersten Falle sagt er »Hahaha«. Aber jetzt sagt er gar nichts.
    Vom Bad aus, in dem ich mein Make-up auffrische, rede ich auf Robert ein. Ich frage ihn höflichkeitshalber, ob sein Job denn wirklich in Gefahr sei und warum Abbado gehen wolle, aber er schweigt. Steht sein Kippschalter auf »Aus«? Hört er mich nicht, weil seine pelzmützigen Haare über seinen Ohren wuchern? Ist er beleidigt? Oder gar tot? Als ich wieder ins Zimmer komme, merke ich, dass es schlimmer ist. Er ist von seinem Stuhl (!) aufgestanden. Hockt vor der Glotze wie ein Marsmensch, derdie Gebräuche unseres Planeten studiert. Starrt wie gebannt auf meine Ex-Freundin. Nennen wir sie Titten-Kitty.

30. Überall Schamhaare!
    Roberts rotzgrüner klöteriger Fiat Tipo schreit nach dem Gnadenschuss. Als ich einsteige, setze ich mich auf etwas Kaltes, Hartes. Unter mir ziehe ich ein tintenfassgroßes Glas hervor. Drinnen ist eine trübe Flüssigkeit, in der ein knapp daumengroßes, schwärzlich-beigefarbenes verkrümmtes Etwas schwimmt. Ich halte das Glas mit spitzen Fingern von mir weg und sehe Robert fragend an. Er winkt ab.
    »Mein Blinddarm!«
    »Gottseidank! Ich dachte schon, es wär dein Schwanz!«
    »Du liebe Güte!

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