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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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leidenschaftlichen 29. Der stärkste Muskel des Menschen ist die Zunge. Valmont streichelt mein Gesicht und endlich, endlich berühren sich unsere Lippen, immer nur so weit, wie er will. Ich will ihn ansehen, aber es ist zu schön, und meine Augen schließen sich. Unser erster Kuss! Und für den Rest meines Lebens will ich weiterküssen. Ich würde ihn so gern streicheln, an mich ziehen, sein Haar fühlen, seinen Schädel fest an meinem spüren. Bei einem leidenschaftlichen Kuss werden die Lippen mit einem Druck von 30 Pfund aufeinander gepresst (Normalkuss: zwei Pfund). Unsere Münder sind längst verschmolzen, saugen sich aneinander fest, trinken einander im rüttelnden Takt des Zuges aus. Bei einem Kuss von zehn Sekunden Dauer werden zweiundzwanzigtausend Bakterien übertragen. Die Kerzenschatten schrumpfen. Schließlich verlischt das Licht. Es dämmert. Die Sonne geht auf. Ein leidenschaftlicher Kuss verbrennt pro Minute etwa vier Kalorien. Die Nebennieren produzierenmehr Adrenalin und die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin. Die Droge Sebum wird freigesetzt. Die Haut wird bis zu 30 Prozent mehr durchblutet.

35. Fleischwurst mit Gesicht
    Übermütig am Münchner Flughafen. Erst folge ich neugierig der Durchsage »Das unbekleidete Kind wird gebeten, sich am Ausgang D 12 zu melden.« Aber das blöde Kind ist angezogen. Der Bayer hat’s mit den Konsonanten. Genau wie der Sachse. Dann bin ich eine knappe Stunde damit beschäftigt, der Aufforderung auf den herumstehenden Gepäckwagen nachzukommen. »Schieben Sie mich zu Sixt« steht drauf, und ich muss es einfach tun. Es ist ein innerer Zwang. Meine Hände machen sich selbstständig. Ich lasse nicht locker, bis alle Wagen fein säuberlich ineinandergesteckt bei Sixt stehen. Habe ich mich Gott jemals so nahe gefühlt?
    Bei der Deutschen BA herrscht mir zum Gruß verordneter Frohsinn. An Bord sind keine Schlagbohrmaschinen erlaubt, heißt es. Alle Passagiere lachen. Ich auch. Der debile Stewardessen-Singsang wird in meinem Ohr zum Engelschor: »Sollten Sie irgendwelche Fragen haben, fragen Sie nicht Ihren Arzt oder Apotheker, sondern uns.« Die Stewardess fällt wie ein wurmstichiger Apfel in meinen Schoß. Ihr lakonischer Kommentar: »Sorry, das passiert schon manchmal!« Ich lächle verständnisvoll. Man steckt nicht drin!
    Valmont steckt drin. Sein Schwanz, wie er in mich fährt. Valmonts Blick: konzentriert wie der eines Dirigenten kurz vorm Fortissimo. Oder wie der eines Adlers kurz vor der Landung. Oder wie der eines Gynäkologen, derzum ersten Mal sein Spekulum in eine Vagina schiebt. Ich habe nicht geduscht, und unter der Bluse spannt das Wachs, bevor es sich in kleinen Plättchen von der Haut löst. Konfekt wird gereicht und BILD. Aufmacher: SEXSKANDAL IM RECHNUNGSHOF: DER BOSS UND DER BUSEN. Aber erst eine Meldung auf der letzten Seite bringt mich richtig zum Lachen: GOTT HEIRATET. Ich reiße sie raus. Die Rede ist von Karel Gott, einem plinsengesichtigen Schlagersänger aus Prag. Aber die Überschrift ist klasse. Gott heiratet! Muss ich unbedingt Dietrich zeigen!
    Schmunzelnd schlafe ich ein, träume aber leider nicht von Valmont, sondern von Peter Scholl-Latour. Ein quälender Alptraum. »Irgendwann kommt’s ja doch raus«, sagt Stolpe und senkt vertraulich die Stimme. »Was soll’s! Ich war bei der Stasi!« Der picklige Jungreporter kuckt verkniffen auf seine Karteikarte: »Da schieß ich mal gleich ’ne Frage nach: Können Sie eigentlich kochen?« – »Ja. Fleischwurst mit Gesicht …«
    »Fliegen Sie auch nach Berlin?« Die Fleischwurst spricht! Mit Falsettstimme! »Haaallo!« Moment! Es ist gar nicht die Fleischwurst. Es ist mein Nachbar: Haarsträhnen quer über die Glatze geklebt, Designerbrille, Ring am kleinen Finger. Mein Alptraum setzt sich nahtlos fort. Der Typ ist aufdringlicher als sein Aftershave.
    »Nach was sieht das hier denn aus?«, frage ich ihn schlaftrunken und stelle meine Lehne wieder hoch.
    Er lächelt. »Darf ich fragen, ob Sie in Berlin wohnen?«
    »Nein.«
    »Dann wohnen Sie also in München?«
    »Nein.«
    »Fliegen Sie oft?«
    »Nein.«
    »Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?«
    »Nein.«
    »Bestimmt was Kreatives!«
    »Steht auf meiner Stirn ein Schild mit ›Fisch sucht Fahrrad‹, oder was macht Sie so zutraulich?«
    »Wissen Sie, ich arbeite bei der Telekom und fliege jede Woche …«
    »Schnauze!«
    Strähne zuckt zusammen und kleckert dabei Kaffee auf meine 900-Dollar-Comme-des-Garçons-Jeans. Ich schütte Rotwein

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