Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!
Schäfer:
»Dein Hund trägt Pink – spinnst du?« Ich schalte den Ton aus und lausche. Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt! In Korea werden Hunde totgeschlagen. Das freigesetzte Adrenalin macht das Fleisch zarter. Eine Delikatesse. Ich kenne meine Mitmieter nicht. Außer M & M und Frau Schörg-Oppowa. Jeder ist gleich verdächtig, insgeheim ein Hundebesitzer zu sein. Hundebesitzer spreizen sich auf der gesamten sozialen Leiter gleich banal. Sie sind genetisch anders strukturiert als wir. Randvoll mit Blödsinn: Hunde-Benimmschule, Anita’s Hundesalon, Hundekuchen, Hundekackschaufel, die Anti-Angst-Pille für depressive Hunde, Hundebandwürmer. Da scheißt der Hund drauf! Ich habe eigentlich nie mit Hunden zu tun, außer, wenn ich mir im Restaurant ein Doggie-Bag machen lasse. Und so soll es verdammt noch mal auch bleiben!
In
Seinfeld
kann Elaine nachts nicht schlafen, weil dauernd ein Köter kläfft. Kramer und Newman beschließen, den Hund zu beseitigen. Fehlt nur noch, dass Arte einen Themenabend »Mein vierbeiniger Freund« macht! Die Welt geht vor die Hunde! Ich überlege, ob ich mir eine dieser Hochfrequenz-Pfeifen kaufe, eine Hundepfeife, und damit jedes Stockwerk ablaufe, um rauszufinden, hinter welcher Tür die Töle nervt. Und zu petzen. Es handelt sich durchaus nicht um eine Kurzzeitbelastung, selbst wenn man bedenkt, dass fünf Hundejahre vierzig Menschenjahren entsprechen. Eine Schande, dass ichmich sogar gezwungen sehe, so langfristig zu denken! Was sonst gar nicht meine Art ist! Da! Es jault wieder! Da muss man dringend Abhilfe schaffen! Ich lege mein Ohr an die Wand. Das könnte nebenan sein! Ich täusche Müll vor und verlasse die Wohnung. Der Mut der Verzweiflung treibt mich direkt vor die Tür von M & M Schlunz.
»Bobrigga«, begrüßt mich Mändy und strahlt über ihr Goldbroiler-Gesicht. In ihren platinblonden Rudi-Völler-Locken klemmt eine große lila Schmetterlingsspange.
Unglaublich! Ich hasse Broiler so sehr, dass ich sogar einen Bogen um die Dresdner Bank mache, und jetzt besuche ich sogar welche! Freiwillig! Wie ein Killerwal frisst sich die Plastikspange in Mändys platten Hinterkopf hinein. Mändy trägt einen Goldbrokat-Imitat-Pullover und ein Paar verwaschene rosa Leggings, die sie aus irgendeinem geheimnisvollen Grund im weiteren Verlauf des Gespräches »Bandalongs« nennen wird.
»Na, das is ja ’ne Üborraschung! Gomm doch rein!« Mein Blick streift kurz die lackierte Baumscheibe mit der Aufforderung »Haxen abkratzen«, der ich mechanisch nachkomme. Ich benutze dafür eine Fußmatte, die aussieht wie ein Hunderter und die Aufschrift »Tritt ein, bring Geld herein« trägt. Vergeb’ne Liebesmüh, weil mich Mändy bittet, die Schuhe ganz und gar auszuziehen – eine üble Unsitte, die mich um ein Haar wieder aus der Broiler-Wohnung treibt. Aber was soll’s! Die Schuhe wurden erst im 4. Jahrhundert erfunden. Vorher sind die Menschen Tausende von Jahren barfuß gelaufen.
Ich betrete ein Wohnzimmer, das mich spontan auf die Idee bringt, M & M Schlunz auszustopfen und aus ihrer Wohnung 1: 1 ein Broiler-Museum zu machen. Fast werde ich darüber wehmütig, dass diese Art von Geschmack nach und nach aussterben wird. Die Geschichtewirft ihre leeren Flaschen aus dem Fenster, sagt Chris Marker.
Die Schrankwand. »Noch aus Ost-Zeiten«, sagt Mändy, meinem Blick folgend: »War Bückware. Gab’s nur undorm Ladentisch. Vitamin B: Bäziehungen.«
Die großzügig florale Tapete. Das Aquarium. Die Plastik-Gardinen. Der Gummibaum. »Der steht hior an der Egge wegen Fäng Scheu.«
»Shui. So viel Zeit muss sein!«
»Schui, nor. Vorstehende Eggen wirken bedrohlich und tun den Energiefluss stören. Da soll man Pflanzen mit rundlischn Bläddorn hinmachn.«
Hinmachn. Nübormachn. Totmachn. Der Perlenvorhang. Der Setzkasten mit Nippes. Die mit Handkantenschlag halbierten Sofakissen. Wenigstens auf eins ist im Leben Verlass: auf Klischees! Nur der Fernseher ist neu, vom feinsten, pervers groß, größer als meiner! Mändy guckt
Bärbel,
ein Hobby, das wir nur auf den ersten Blick teilen. Auf dem Holzfurniertisch mit staksigen 70er-Jahre-Beinen liegt eine aufgeschlagene BILD-Zeitung. Ich sehe eine halbseitige Annonce, dick rot angestrichen.
WIE IN ALTEN ZEITEN
FKK-Tanz, Partys, zuschauen, mitmachen, Damen, Herren und Paare willkommen.
Kiek doch ooch mal rin in Maik’s und Mändy’s BUMSSCHUPPEN,
Karl-Liebknecht-Straße 3, Berlin-Hellersdorf.
Der gut sortierte
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