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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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die Tasche auf dem Stuhl liegen gelassen. Was für ein Dummkopf du bist, Wetzon, dachte sie.
    Es war Zeit für ihr Treffen mit Teddy. An der Garderobe holte Wetzon ihren Mantel ab und stand kurz darauf auf der Straße.
    Ein Taxi hielt vor Le Refuge, und Wetzon wartete mit unverhüllter Ungeduld, während ein Mann in grauem Mantel und Filzhut den Fahrer bezahlte und das Restaurant mit einer schlanken Frau im Nerzmantel betrat.
    Es war dunkel und still, als das Taxi sie bei Kanal acht absetzte. Zum westlichen Ende hin wurde die 57. Street zum Gewerbegebiet. Fabriken, Lagerhäuser. Die Fernsehstation war das einzige Unternehmen in der Gegend, in dem rund um die Uhr gearbeitet wurde, wenn man von ihrem Hauptkonkurrenten CBS zwei Straßen weiter absah.
    Sie spürte ein leichtes Prickeln vor Aufregung. Teddy glaubte jetzt, daß Peepsie ermordet worden war, und er wußte nicht viel über den Fall — oder hatte nicht viel gewußt. Was für eine Information hatte er wohl, die ihn zu dieser Überzeugung gebracht hatte?
    Über etwa zehn flache Stufen gelangte man zum Haupteingang von Kanal acht in dem zwölfgeschossigen Gebäude. Die Halle war durch Glastüren und Spiegelglas um sie herum von der Straße her gut einzusehen. Ein stämmiger Wächter mit einem komischen mexikanischen Schnurrbart saß hinter einem Schalter aus falschem Marmor und las Zeitung.
    Als Wetzon die Stufen hinaufging, die freigeschaufelt und mit dem neuen Salzersatz bestreut waren, spürte sie, wie der Wächter sie taxierte. Sie zog an dem Messinggriff der Glastür. Sie war verschlossen. Der Wächter beobachtete sie, rührte sich aber nicht. Sie winkte ihm und deutete höflich lächelnd auf ihre Uhr.
    Er starrte sie an und sah dann in ein großes Terminbuch auf dem Schalter vor sich. Dann faltete er widerwillig die Zeitung zusammen, stand auf und ging gemächlich zur Tür. Seine Größe überraschte sie. Er war nicht viel größer als sie, aber er war gebaut wie ein Panzer. Die Muskeln traten unter seiner Uniform hervor. Er hatte ein Kennzeichen auf seinem Ärmel, auf dem >K-8, Sicherheit< stand, und ein angeklammertes weißes Plastikschild mit seinem Bild, das ihn als Torres auswies. Er griff zu der Schlüsselkette, die an seinem Gürtel hing, ging in die Hocke und ließ sich viel Zeit, um die Tür am Boden aufzuschließen und einen Spalt zu öffnen. »Ja?«
    Wetzon fror. Sie hüpfte von einem Bein auf das andere, um sich warmzuhalten. »Ich bin mit Teddy Lanzman verabredet. Mein Name ist Leslie Wetzon.«
    Der Wächter sah sie an, ohne eine Miene zu verziehen, und brummte, dann öffnete er endlich die Tür, gerade so weit, daß sie sich durchzwängen konnte. Er überblickte mißtrauisch die dunkle, leere Straße und zog die Tür zu. Es klickte hart, als das Schloß einrastete.
    Torres schlenderte zum Schalter zurück und zog unter seinem Wall Street Journal einen Plastikausweis vor. »Er erwartet Sie. Er ist in Zimmer 24B im Anbau.« Obwohl er aussah wie ein mexikanischer bandito, sprach Torres perfektes, akzentfreies amerikanisches Englisch. Vermutlich ein Schauspieler mit einem Nachtjob. Torres reichte ihr die Plastikkarte. Ihr Name stand in Handschrift darauf: Ms. L. Watson. Sie klammerte sie an das Mantelrevers. Wenn sie Watson war, wo war dann Holmes?
    »Wie finde ich das?« Sie knöpfte den Mantel auf und steckte die Gürtelenden in die Seitentaschen.
    »Nachtaufzug bis zum fünften. Dann wenden Sie sich nach rechts und gehen gerade durch. Sie sehen, wo die Gebäude ineinander übergehen. Die Türen sind nicht verschlossen. Sind alle dort oben. Sie hören sie, bevor sie sie sehen.« Er lächelte nicht.
    Sollte das ein Scherz sein?
    Bei dem Nachtaufzug hatte man offensichtlich mehr auf den Zweck als auf das Aussehen geachtet. Ein großer Metallkasten mit offenen Türen. Mindestens ein Dutzend Zigarettenkippen unterschiedlicher Länge lagen auf dem zerkratzten Metallboden, und das zerbeulte Stahlgehäuse roch nach schalem Tabak.
    Sie drückte auf 5, und der Motor setzte sich summend in Gang, die Türen glitten quietschend zu. Die Etagen wurden über den Türen angezeigt: 2, 3, 4, 5. Die Türen öffneten sich polternd, und Wetzon trat in einen langen leeren Gang. Leuchtstofflampen an der Decke verbreiteten ein helles Licht. Sie wandte sich nach rechts. Schwere Kameras und anderes Gerät standen an den Seiten, manche in Segeltuch eingehüllt, alles mit dem Aufdruck >Kanal acht< versehen. Der Gang war mit Teppichboden in zweckmäßigem Beige ausgelegt,

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