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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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auf und trat in ein weites Treppenhaus. Die Tür flog mit einem lauten, hallenden Schlag hinter ihr zu. Dann war es vollkommen still. Sie hob ihren langen Mantel vorn etwas an und begann, die Treppe hinaufzusteigen.
    Auf der sechsten Etage blickte sie in einen dunklen Gang. Kein Licht, keine Menschen. Eine Tür öffnete sich irgendwo über ihr, und sie hörte schwere Schritte auf sich zukommen. Sie blieb stehen und wartete. Wenn sie auf der Treppe erwischt würde, könnte sie nirgendwohin laufen... Was dachte sie bloß für dummes Zeug? Erwischt? Wovor hatte sie Angst? Wahrscheinlich war es Teddy oder jemand, der hier arbeitete. Vorsicht, Vorsicht, um Gottes willen, Wetzon. Cool bleiben.
    Die Schritte kamen näher. »Gottverdammte Scheiße«, sagte eine Frauenstimme. Eine kleine, plumpe Frau kam in Sicht. Sie schleppte eine tragbare Kamera. Es war Gretchen, die sie in Little Odessa kennengelernt hatte. Sie schien nicht überrascht, Wetzon vor sich zu sehen.
    »Tag«, sagte Wetzon erleichtert. »Ist im siebten Stock auch das Licht aus?«
    »Das Scheißlicht ist in dem ganzen Scheißgebäude aus, außer auf den Treppen.« Sie blieb neben Wetzon stehen und verlagerte die Kamera auf die andere Schulter. Sie trug Khakihosen und ein rotes Flanellhemd, das unter einer Marinedaunenjacke heraushing. Gretchen schob sich an ihr vorbei und ging weiter nach unten. Wetzon holte tief Luft und setzte ihren Weg zum siebten Stock fort.
    Einen Moment später ging das Licht im Treppenhaus aus, ging an, ging aus und blieb aus. Schwarz wie die Hölle. Trostlos.
    »Ach du Scheiße!« Gretchens Stimme hallte von unten herauf.
    Wetzon klammerte sich am Geländer fest. Indem sie jede Stufe mit der Stiefelspitze ertastete, ging sie weiter. Sie konnte Gretchen fluchen hören und war dankbar, daß sie die Stille unterbrach. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, die eine Treppe hochzusteigen.
    Ihre Hand berührte die Metallstange der Treppenhaustür, und sie wußte, daß sie den siebten Stock erreicht hatte. Vielleicht sollte sie einfach hier warten, bis das Licht wieder anging. Nein. Das konnte die ganze Nacht dauern. Sie würde Teddy finden, und dann konnten sie es wenigstens zusammen abwarten. Sie drückte gegen die Metallstange, um die Treppenhaustür zu öffnen. Kein Wunder geschah. Das Licht ging nicht wieder an. Es kam ihr eher noch dunkler als im Treppenhaus vor, und hier war kein fluchendes Gretchen. Nur bedrückende Stille.
    Sie blieb stehen und versuchte festzustellen, welches Teddys Büro war, als sie ein Geräusch hörte, als ginge eine Tür in ihrer Nähe auf. Dann ein schwacher Lichtschein und zwei komische gedämpfte Laute, einer gleich nach dem andern, als schlüge jemand mit der Fliegenklatsche nach Fliegen. Sie preßte sich mit dem Rücken an die Wand neben der Treppenhaustür, rührte sich nicht, konzentrierte sich mit hellwachen Sinnen. Das schwache Licht verschwand.
    Sie war nicht allein. Es war außer ihr noch jemand auf dem Gang. »Teddy?« Die Stimme blieb ihr im Hals stecken. »Teddy? Bist du das?«
    Es kam keine Antwort, aber sie spürte, daß jemand näher kam. Angst flackerte wie ein grelles rotes Licht durch ihre Gedanken. Sie wußte, daß sie vom Treppenhaus wegkommen mußte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich die Treppe hinuntergestoßen, stürzend, mit gebrochenen Knochen unten ankommend. Sie schob sich an der Wand entlang in Richtung Aufzug vor.
    Wer immer sich noch auf dem Gang befand, es war nicht Teddy. Teddy hätte sich zu erkennen gegeben, als sie ihn gerufen hatte. Ihre Finger berührten die Metalltüren des Aufzugs. In diesem Augenblick hörte sie die Treppenhaustür polternd aufgehen. Schritte hallten kurz von der Treppe her, bevor die Tür zuflog. Sie war allein. Oder nicht? Sie hörte jemanden atmen, hörte Herzklopfen, ein komisches raschelndes Geräusch. Du Dummkopf, Wetzon. Ihr eigener Atem, ihr eigenes klopfendes Herz.
    Sie bewegte sich zentimeterweise wieder auf die Treppe zu, konnte sich orientieren und fand die Tür zu dem Büro auf der rechten Seite. Sie war abgeschlossen. Sie bewegte sich vorsichtig quer über den Gang. Da war wieder das komische raschelnde Geräusch, das sie schon einmal zu hören geglaubt hatte. Sie blieb stehen und lauschte.
    Etwas, jemand streifte sie, warf sie gegen die kalte Steinwand. Die Treppenhaustür öffnete und schloß sich und zum zweitenmal hörte sie laufende Schritte. Sie stellte ihre Tasche ab. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie war gekommen, um Teddy zu

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