Ruhe Sanft
und schloß ihre Schublade. Schließlich sah sie Bernstein an. »Ich gehe noch mal Kaffee holen.«
»Warum sagen Sie uns nicht die Wahrheit, Ms. Wetzon? Das wird für Sie auf Dauer leichter sein.«
Wetzon hatte immer wieder dieselbe Zeile gelesen und darüber nachgedacht, wie sie sich verhalten sollte. Sie hielt Bernsteins Blick stand. »Ist das eine Drohung?« Sie legte das Lesezeichen in das Buch und klappte es zu. »Warum haben Sie mir die Fingerabdrücke abgenommen und mich dem Test unterzogen?«
»Das machen wir automatisch mit jedem am Tatort.«
»Darauf würde ich wetten.« Bernstein war ihr zuwider. Er behandelte sie, als sei sie Teddys Mörderin. Er hatte kein Recht dazu.
Ignacio brachte drei Becher Kaffee, die sie mit beiden Händen hielt. Sie schloß die Tür hinter sich mit einem Fußtritt. Wetzon nahm einen großen Schluck Kaffee und verbrannte sich Mund und Kehle. Sie brauchte das Koffein, um geistig wach zu bleiben. Falls Bernstein sie für die Mörderin hielt, hatte er das Recht, zu versuchen, etwas aus ihr herauszukriegen, bevor sie nach einem Anwalt fragte. Sie mußte einen Anwalt haben, das war ihr nun klar. Sie würde sich damit abfinden müssen und Leon anrufen. »Wirft man mir etwas vor? Wenn ja, okay, wenn nein, bin ich gern bereit, Ihnen mit allem, was ich weiß, weiterzuhelfen.«
Ignacio sah Bernstein an, der mit den Schultern zuckte. »Ich schlage vor, Sie arbeiten mit uns zusammen, so oder so«, meinte Ignacio.
»Also gut, dann möchte ich meinen Anwalt anrufen.«
»Bedienen Sie sich.« Bernstein gab seinem Telefon einen kräftigen Schubs über den Tisch.
»Wählen Sie neun vor«, sagte Ignacio.
Sie nahm den Hörer ab und wählte die Neun, dann hielt sie inne. Sie würde Carlos’ Freund anrufen, Arthur. Er war Anwalt. Verdammt, wie hieß Arthur nur mit Nachnamen? Sie schloß die Augen... Arthur... Arthur... Margolies schwebte wie ein im Wind flatterndes Banner vor ihren Augen vorbei. West End Avenue. Sie rief die Auskunft an und bekam Arthurs Telefonnummer.
»Wie lange hatten Sie ein Verhältnis mit Lanzman?« Bernstein rückte ihr plötzlich auf die Pelle. Ignacio betrachtete sie freundlich.
»Wir hatten nie ein Verhältnis. So eine Freundschaft war es nicht.« Sie legte das Telefon auf und vergaß auf der Stelle Arthurs Nummer. Verflixt.
»Weshalb haben Sie sich dann gestritten?« Bernstein beugte sich über sie, bedrängte sie.
»Halte dich zurück, Bernstein.« Ignacio sah ihn warnend an. »Laß die Frau in Ruhe.«
»Also, Ms. Wetzon?« knurrte Bernstein.
Guter Bulle, böser Bulle, dachte Wetzon. Glauben sie, sie könnten ihr eine Falle stellen? Sie machte Anstalten aufzustehen.
»Nein, bleiben Sie sitzen, bleiben Sie sitzen.« Bernstein machte ärgerliche Handbewegungen. »Wir wollen bloß Ihre Geschichte. Nur die Fakten.« Himmel, er glaubte wohl, er sei in einem Fernsehkrimi.
Sie setzte sich, griff wieder zum Telefon und fing noch einmal von vorne an. Diesmal wählte sie direkt nach der Auskunft Arthurs Nummer.
»Fangen Sie an, wo es Ihrer Meinung nach beginnt«, sagte Ignacio.
»Es beginnt in Sergeant O’Melvanys Revier«, sagte Wetzon abrupt und empfand eine kleine Freude über den verblüfften Ausdruck auf Ignacios und Bernsteins Gesicht. Sie lehnte sich zurück und lauschte dem stetigen Freizeichen in ihrem Ohr. Arthur Margolies antwortete nicht. Es war mitten in der Nacht. Auf ihrer Uhr war es zwei. Sie hatten entweder das Telefon abgeschaltet oder hörten es nicht. Wetzon war so müde.
Dann knackte es leise. »Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht, ich rufe zurück.«
»Arthur, hier ist Leslie Wetzon. Ich werde von der Polizei im Midtown North festgehalten. Bitte rufen Sie mich möglichst bald hier an.« Sie legte auf. »Er war nicht da. Ich muß es noch mal probieren.«
»Was hat O’Melvany damit zu tun?« fragte Ignacio.
»In seinem Revier beging Peepsie Cunningham entweder Selbstmord oder wurde ermordet.«
»Peepsie?«
»Tut mir leid. Das ist ein Spitzname. Mir fällt der...« Ihr Hirn arbeitete. Warum konnte sie sich nicht an Peepsies richtigen Namen erinnern? »Teddy arbeitete an einer Serie über die Probleme alter Menschen...« Sie fühlte sich plötzlich sehr allein. Abgeschnitten von ihren Freunden. Sie dachte an den Abend in Little Odessa. »Gretchen!« Sie hatte Teddy bedroht und war unmittelbar vor dem Mord die Treppe heruntergekommen.
»Wer ist Gretchen?« Bernstein und Ignacio wechselten einen Blick.
Vielleicht redete sie zuviel. Sie
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