Ruhe Sanft
würde ihnen nur noch von Gretchen erzählen und dann den Mund halten und abwarten.
Bernsteins Telefon klingelte. Er nahm ab. »Ja? Okay.« Er knallte den Hörer auf.
»Was ist mit Gretchen?« fragte Ignacio mit einem zweifelnden Blick auf Bernstein.
»Gretchen — Teddy hatte Streit mit ihr in Brooklyn. Er nahm ihr eine Geschichte weg, und sie war wütend. Sie sagte, sie würde es ihm heimzahlen... Dann traf ich sie, wie sie die Treppe herunterkam und so eine Kamera schleppte... als ich nach oben in Teddys Büro ging.«
Ignacio griff zum Telefon und wählte eine Nummer. »Baker, sieh mal zu, ob du den Nachnamen einer Reporterin beim acht — Gretchen Soundso — rauskriegst und schaff sie her.« Sie legte auf.
»Was haben Sie heute nacht bei Kanal acht gemacht?«
»Das habe ich doch gesagt.« Sie spielte mit dem Lesezeichen. Hör jetzt auf zu reden, Wetzon.
»Sagen Sie es noch einmal.«
»Ich warte lieber, bis ich jemand bekomme, der meine Rechte wahrt.«
»Niemand greift in Ihre Rechte ein, liebe Frau. Merken Sie sich das.« Bernstein beugte sich vor und zeigte mit dem Finger auf sie. Er blickte auf, über ihren Kopf weg und nickte, aber nicht zu ihr. Eine Tür öffnete sich und schloß sich hinter ihr. Silvestri. Sie spürte ihn im Raum, ehe sie sich umdrehte und ihn sah. Ignacio stand auf.
»Silvestri.« Bernsteins Ton wurde eine Spur defensiver. »Lange nicht gesehen.«
Silvestri legte einen Arm um Wetzons Taille, hob sie hoch und drückte sie gegen die seidige Kälte seiner Jacke. »Les? Was geht hier vor? Himmel Herrgott! Wollt ihr mir vielleicht sagen, warum ihr mein Mädchen quält?«
»Ein Mann wurde heute nacht ermordet. Sie fand die Leiche...«
Silvestri nahm Wetzon fester in den Arm. Sie vergrub ihr Gesicht tief in seiner Jacke. Die steifen Stoppeln seines Bartes kratzten ihre Stirn. »Sieh mich an, Les.« Er lockerte seine Umarmung.
»Sie hatte überall sein Blut an sich«, erklärte Ignacio.
Wetzon hob den Kopf und sah Silvestri an. Er hatte dunkle Ringe um die tieftürkisen Augen. Sein Bart war einige Tage alt. »Ich habe Teddy nicht getötet«, sagte sie. Sie spürte seine Hände durch die Kostümjacke warm auf dem Rücken.
»Ihre Fingerabdrücke sind auf der Waffe«, sagte Bernstein.
Sie machte grands jetés in einem weißen Tutu hin und her durch die Gänge des Börsensaals von Whitebread Sallman, wo hektische Betriebsamkeit herrschte. Das Corps de ballet, gekleidet als Händler in weißen Hemdsärmeln, folgte ihr mit Aktienzertifikaten in den Händen. Sie wirbelte durch das Getümmel mit absoluter Sicherheit und in der Überzeugung, daß ihre Technik perfekt war. Wie wunderbar, daß Jerome Robbins ein Ballett für sie geschrieben hatte, das ihre zwei Welten verband.
Nach ihrer Solonummer blieb sie erhitzt neben dem Ballettmeister stehen, der ihr einen Moment den Rücken zukehrte. »Wie war ich, Maestro?« fragte sie atemlos.
»Wunderbar, einfach wunderbar, Wetzon.« Leon drehte sich zu ihr um. Er trug ein Plastiknamensschild am Revers seines schwarzen Kaschmirblazers, auf dem Maestro stand.
»Leon! Was machen Sie denn hier?«
Er öffnete den Mund, um ihr zu antworten.
»FBI! FBI!« schrie jemand.
»Eine Razzia«, rief jemand in Wetzons Nähe. »Nimm das und mach schnell.« Sie nahm, was ihr zugeworfen wurde, und hob es vor die Augen. Es war die rote Emailfigur einer russischen Bäuerin, so ähnlich wie die, bei der man den Kopf abdreht und eine andere Puppe darin findet, der man den Kopf abdreht und so weiter. Genau das tat sie und warf die Stücke weg, bis sie zu der letzten winzigen Emailfigur kam, die ein Mann war, dessen Kopf sich nicht abdrehen ließ. Sie steckte die Figur unter ihr Trikot in den Büstenhalter. Die Figur pulsierte unheimlich.
Das Corps de ballet aus Börsianern kam auf sie zu, tanzte hin und her, machte sie schwindlig.
»Hier, halten Sie das«, sagte Gretchen, gab ihr eine Kamera und verschwand im Gewühl.
Wetzon betrachtete die Kamera, aber es war gar keine Kamera. Es war ein metallener Papierkorb, der bis an den Rand mit kunstvoll verzierten Aktienzertifikaten gefüllt war, die das Corps de ballet eingesammelt haben mußte.
»Danke fürs Halten, Liebes«, sagte Ida und griff nach dem Papierkorb. Sie trug Peepsie Cunninghams Nerzmantel, der lächerlich klein an ihr wirkte.
»Nein!« Wetzon versuchte, sich loszureißen.
»Lassen Sie mich helfen«, sagte Arleen Grossman. »Sagen Sie ihr, wie hilfreich ich sein kann, Xenia.«
Smith, die im weißen
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