Ruhelos
sagte, er wollte diesen Mann treffen – Nikitsch.«
»Bist du sicher?« Sie sah, dass Romer sich wunderte. »Ich war es, der ihn treffen wollte.«
»Vielleicht ihr beide. So hat er’s mir erzählt.«
»Ich werde ihn anrufen. Und jetzt verschwinde ich lieber.« Er beugte sich vor. »Ruf du mich an, wenn du Kontakt zu Harding hast. Aber nur einmal.« Er hob die Tasse an den Mund und sprach über den Rand, flüsterte ihr etwas zu, eine Zärtlichkeit, hoffte sie, aber sie verstand es nicht. Immer den Mund verdecken, wenn du etwas Wichtiges mitzuteilen hast – auch eine Romer-Regel. »Kennwort ›Operation Eldorado‹«, sagte er, »Harding ist ›Gold‹.« Er stellte die Tasse ab und ging zahlen.
7
Super-jolie nana
Ich hoffte sehr, dass Hamid seine Stunde absagen, vielleicht sogar einen Lehrerwechsel beantragen würde, aber es kam kein Anruf von Oxford English Plus, also hangelte ich mich ein wenig unkonzentriert durch die Stunde mit Hugues und schreckte vor dem nahenden Moment zurück, da Hamid wieder vor mir stehen würde. Hugues schien nichts von meiner Nervosität zu merken und füllte einen großen Teil seiner Stunde damit aus, mir auf Französisch vom Besuch eines riesigen Schlachthofs in der Normandie zu erzählen, dessen Personal fast durchweg aus dicken Frauen bestanden habe.
Ich brachte ihn durch die Küche zur Treppe, und wir standen noch eine Weile in der Sonne, mit Blick auf den Garten unter uns. Meine neuen Möbel – ein Plastiktisch mit vier Plastikstühlen in Weiß und ein ungeöffneter kirschrot-pistazienfarbener Sonnenschirm – waren am hinteren Ende unter der großen Platane aufgestellt. Mr Scott machte seine Sprungübungen zwischen den Rabatten – wie ein Rumpelstilzchen im weißen Kittel versuchte er mit seinem Gestampfe, die Erdkruste zu durchstoßen und zum brodelnden Magma vorzudringen. Er fuchtelte mit den Armen, sprang auf und ab, bewegte sich seitlich und wiederholte die Übung.
»Was ist das für ein Verrückter?«, fragte Hugues.
»Das ist mein Vermieter und Zahnarzt.«
»Sie lassen diesen Wahnsinnigen an Ihre Zähne heran?«
»Er ist der normalste Mensch, den ich je getroffen habe.«
Hugues verabschiedete sich und polterte die Treppe hinab. Ich lehnte mich mit dem Hintern ans Geländer und sah Mr Scott zu, der nun mit seinen Atemübungen begann (Knie berühren, Arme hochwerfen und Lungen füllen). Dann hörte ich Hugues auf dem Weg, der seitlich am Haus vorbeiführte, mit Hamid zusammentreffen. Irgendein Trick der Akustik – der Klang ihrer Stimmen, die Beschaffenheit des Mauerwerks – trug ihre Worte bis zu mir hinauf.
»Bonjour, Hamid. Ça va?«
»Ça va.«
»Heute ist sie ziemlich seltsam.«
»Wer, Ruth?«
»Ja. Irgendwie nicht bei der Sache.«
»Oh.«
Pause. Ich hörte Hugues eine Zigarette anzünden.
»Magst du sie?«, fragte Hugues.
»Klar.«
»Ich glaube, sie ist sexy. Auf die englische Art – du verstehst.«
»Ich mag sie sehr.«
»Tolle Figur, die Frau. Super-jolie nana. «
»Figur?« Hamid schien nicht hinzuhören.
»Na, du weißt schon.« Hier dürfte Hugues entsprechende Handbewegungen gemacht haben. Vermutlich deutete er die Form meiner Brüste an.
Hamid lachte nervös. »Darauf achte ich nicht.«
Sie gingen weiter, und ich sah Hamid die Treppe heraufkommen. Mit gesenktem Kopf, als würde er das Schafott besteigen.
»Hamid«, sagte ich. »Guten Morgen.«
Er blickte auf.
»Ruth, ich komme, um mich zu entschuldigen, und dann gehe ich zu Oxford English Plus und beantrage einen neuen Lehrer.«
Ich beruhigte ihn, nahm ihn mit hinein ins Arbeitszimmer und versicherte ihm, dass ich nicht gekränkt sei, dass diese Dinge zwischen erwachsenen Schülern und Lehrern eben vorkämen, besonders beim Einzelunterricht und in Anbetracht der langen Arbeitsbeziehung, die sich aus dem Lehrprogramm ergebe. Also nichts für ungut, machen wir einfach weiter, als wäre nichts gewesen.
Er hörte mir geduldig zu, dann sagte er: »Nein, Ruth, bitte. Ich meine es ehrlich. Ich liebe Sie.«
»Was hat das für einen Sinn? In zwei Wochen gehen Sie nach Indonesien. Wir sehen uns nie wieder. Vergessen wir das, bleiben wir Freunde. Wir können für immer Freunde sein.«
»Nein, ich muss ehrlich zu Ihnen sein, Ruth. Das ist mein Gefühl. Was ich im Herzen fühle. Ich weiß, dass Sie für mich nicht dasselbe fühlen, aber ich bin verpflichtet, Ihnen zu sagen, wie meine Gefühle gewesen waren.«
»Meine Gefühle waren.«
»Meine Gefühle waren.«
Wir saßen schweigend
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