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Ruhelos

Ruhelos

Titel: Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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beschattet wurde, musste sie die beiden erst abschütteln. Nicht zum ersten Mal war sie dankbar für ihre Ausbildung in Lyne: Fahrtunterbrechungen machten es immer leichter, Beschatter aufzuspüren. Niemand sonst würde so reisen wie sie – Zufälle konnten also ausgeschlossen werden. Und es würde nicht schwer sein, die beiden Krähen loszuwerden – sie waren entweder unfähig oder nachlässig oder beides.
    Auf dem Bahnhof von Denver ließ sie ihren Koffer in einem Schließfach, dann ging sie in die Stadt und betrat das erste große Kaufhaus, das am Weg lag. Sie schaute hier und da und bewegte sich durch die Stockwerke nach oben, bis sie fand, was sie suchte: einen Lift nahe einer Treppe in der dritten Etage. Langsam lief sie ins Parterre zurück, auf dem Weg dorthin kaufte sie sich einen Lippenstift und eine Puderdose. Am Lift verharrte sie und ließ andere vorbei, während sie den Wegweiser studierte, dann, in letzter Sekunde, schlüpfte sie hinein. Der Schnauzbart hatte sie im Blick, war aber zu weit entfernt. »Fünf, bitte«, sagte sie zum Fahrstuhlführer, stieg in der dritten Etage aus und stellte sich hinter einen Kleiderständer neben dem Treppenaufgang. Sekunden später kamen der Schnauzbart und das Kinn die Treppe heraufgehetzt, warfen einen Blick in die Etage, sahen den Lift nach oben fahren und rannten weiter die Treppe hinauf. Eva lief hinunter und stand eine Minute später auf der Straße. Sie wechselte die Richtung, machte wieder kehrt, aber die beiden Krähen waren verschwunden. Sie holte ihren Koffer und nahm den Bus nach Colorado Springs, das vier Stationen weiter an der Strecke nach Santa Fe lag, und verbrachte die Nacht in einem Hotel am Bahnhof.
    Vorher rief sie von einem Münztelefon in der Lobby in New York an. Sie ließ es dreimal klingeln, legte auf, ließ sich noch einmal verbinden, legte nach dem ersten Klingeln erneut auf und rief ein drittes Mal an. Sie wollte Romers Stimme hören, nichts sonst.
    »Transoceanic.« Es war Morris Devereux.
    Sie verbarg ihre Enttäuschung und war wütend auf sich, weil sie so enttäuscht war.
    »Du weißt, auf welcher Party ich bin?«
    »Ja.«
    »Es waren zwei ungeladene Gäste da.«
    »Das ist merkwürdig. Hast du eine Ahnung, wer sie waren?«
    »New Yorker Krähen, würde ich sagen.«
    »Noch merkwürdiger. Bist du sicher?«
    »Absolut. Aber ich bin sie los. Kann ich mit dem Chef sprechen?«
    »Ich furchte, nein. Der Chef ist nach Hause gefahren.«
    »Nach Hause?« Das bedeutete England. »So plötzlich?«
    »Ja.«
    »Ich wollte wissen, was ich tun soll.«
    »Wenn’s keine Probleme gibt, würde ich einfach weitermachen wie gewohnt.«
    »Ist gut. Bye.«
    Sie legte auf. Es war unlogisch, aber aus irgendeinem Grund fühlte sie sich nicht mehr sicher, seit sie wusste, dass Romer abberufen worden war. Wenn’s keine Probleme gibt, einfach weitermachen wie gewohnt. Es gab keine Probleme. Eine ganz normale Standardoperation. Sie fragte sich, woher die beiden Männer kamen – FBI? Romer hatte gesagt, dass das FBI wegen der zunehmenden britischen Aktivitäten unruhig wurde. Vielleicht waren das die ersten Anzeichen der Infiltration … Für alle Fälle stieg sie auf der Fahrt nach Albuquerque noch zweimal um, was ihre Ankunft zusätzlich verzögerte.
    Sie seufzte und bestellte noch einen Cocktail. Ein Mann kam an ihren Tisch und fragte, ob er sich zu ihr setzen dürfe, aber er benutzte keines der Losungswörter, also wollte er sie nur abschleppen. Sie erzählte ihm, sie sei auf Hochzeitsreise und warte auf ihren Mann. Der Mann verzog sich und hielt Ausschau nach lohnenderer Beute. Sie trank aus und ging ins Bett, doch sie fand keine Ruhe und schlief sehr schlecht.
    Am nächsten Tag bummelte sie durch die Altstadt, besuchte die Kirche auf der Plaza, machte einen Spaziergang durch den Rio Grande Park mit seinen hohen Pappeln, blickte auf den breiten, schlammigen Fluss und die violett schimmernden, dunstigen Berge im Westen und fragte sich wie schon so oft, was sie ausgerechnet hierher verschlagen hatte, an diesen Ort, zu dieser Zeit, in dieser Phase ihres Lebens. Sie aß zu Mittag im de Vargas, und als sie danach durch die Lobby ging, empfahl ihr der Mann an der Rezeption eine Besichtigung der Universität – die Bibliothek dort sei »großartig«. Sie dankte und erwiderte, sie werde ein andermal dorthin gehen. Stattdessen fuhr sie mit dem Taxi ins andere Hotel, legte sich auf das harte Bett und las einen Roman – Manhattan Transfer von Dos Passos –, auf

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