Ruheloses Herz
ärgert.«
»Ich weiß. Und interessant daran ist, dass ich mich ständig herausgefordert fühle, genau das zu tun, von dem ich weiß, dass es Sie ärgert. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich nichts für Frauen übrig habe, die über ihre hübsche Nasenspitze auf mich herabschauen. Aber so wie die Dinge liegen, sollten wir vielleicht trotzdem versuchen, irgendwie miteinander auszukommen.«
»Ich sehe weder auf Sie noch auf sonst wen herab.«
»Kommt ganz drauf an, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet, oder?«
Sie wirbelte wortlos auf dem Absatz herum und schritt davon, um sich einen Moment später darauf zu konzentrieren, Getreide für die Futtermischung abzumessen.
»Vielleicht sollten wir es mit einem unverfänglicheren Gesprächsthema versuchen«, schlug er vor. »Fragen Sie mich doch zum Beispiel einfach, wie ich es auf Royal Meadows finde. Ich arbeite seit meinem zehnten Lebensjahr auf Rennbahnen und Pferdefarmen. In zwanzig Jahren habe ich alle Seiten der Pferdezucht und des Pferdesports kennengelernt. Die hellen und die dunklen. Und ich habe noch nie etwas Helleres gesehen als Royal Meadows.«
Sie hielt inne und streifte ihn mit einem kurzen Blick, bevor sie anfing, Zusatznahrung unter das Getreide zu mischen.
»Meiner Meinung nach gibt es nur wenige Menschen, die so viel wert sind wie ein gutes Pferd. Ihre Eltern sind bewundernswert. Nicht nur, weil sie es zu etwas gebracht haben, sondern vielmehr wegen der Art, wie sie mit ihrem Besitz umgehen. Ich fühle mich geehrt, für sie arbeiten zu dürfen. Und sie können sich glücklich schätzen, dass ich es tue«, schloss er, als sie sich zu ihm umdrehte.
Sie lachte. »Zumindest in diesem Punkt scheinen sie mit Ihnen einer Meinung zu sein.« Kopfschüttelnd ging sie an ihm vorbei, um die Pferde zu füttern, und er atmete dabei den Duft ihres Haares, ihrer Haut ein.
»Nur Sie sind sich da offenbar nicht so sicher. Obwohl Sie außer Ihrer Reitschule nicht viel zu interessieren scheint.«
»Meinen Sie?«
Er überflog die ordentlich getippte Liste an der Wand, auf der die jeweiligen Futtermischungen für jedes einzelne Pferd vermerkt waren. »Ihren Bruder und Ihre Schwester sehe ich jeden Tag«, fuhr er fort, während er das Futter für Teddy abzumessen begann. »Allen begegne ich ständig irgendwo, nur Ihnen nicht.«
Sie hätte ihm auswendig herunterbeten können, wie schnell jedes Pferd während dieser Woche gelaufen und auf welchem Platz es gelandet war. Welches Pferd Medikamente bekam, welche Stuten trächtig waren. Doch ihr Stolz hielt sie zurück. Sie zog es vor, es Stolz zu nennen und nicht Sturheit.
»Aber vermutlich haben Sie mit Ihrer kleinen Reitschule genug zu tun.«
Sie kochte vor Wut. »Oh ja, meine kleine Reitschule hält mich ganz schön auf Trab«, erwiderte sie mühsam beherrscht.
»Sie sind eine gute Lehrerin.« Er ging zu Teddys Box.
»Oh, besten Dank.«
»Kein Grund, gleich verschnupft zu sein. Sie sind wirklich eine gute Lehrerin. Und vielleicht bleibt ja eins dieser privilegierten Kinder sogar bei der Stange.«
»Eins meiner privilegierten Kinder«, murmelte sie.
»Man braucht Können, Ausdauer und ziemlich viel Geld, um an Turnieren teilzunehmen. Obwohl ich selbst nie das Vergnügen hatte, hat es mir doch immer Spaß gemacht zuzusehen. Aber Sie könnten für Wettkämpfe trainieren. Für den Royal International oder den Dublin Grand Prix. Vielleicht sogar für die Olympiade.«
»Moment, lassen Sie mich kurz zusammenfassen, damit ich mir auch wirklich sicher sein kann, Sie nicht missverstanden zu haben. Kinder aus reichem Elternhaus nehmen also an Turnieren teil und heimsen Siegermedaillen ein, während die weniger Privilegierten höchstens Stallburschen werden können?«
»Na ja, so läuft es doch, oder etwa nicht?«
»Aber nur, weil man es so laufen lässt. Sie sind ein Snob, Brian.«
Er schaute verblüfft auf. »Was?«
»Ja, und zwar einer von der übelsten Sorte, der Sorte nämlich, die sich auf ihre Toleranz etwas einbildet. Aber nachdem ich das jetzt weiß, können Sie mich überhaupt nicht mehr ärgern.«
Das Stalltelefon klingelte, was ihr nur recht war. Wer auch immer am anderen Ende der Leitung sein mochte, er hatte nicht nur den richtigen Zeitpunkt gewählt, sondern sie war ihm auch noch dankbar. Als sie zum Telefon ging und sah, wie schockiert Brian dreinschaute, verspürte sie Genugtuung.
»Royal Meadows Riding Academy. Einen Moment bitte.« Sie legte die Hand über die Sprechmuschel und sagte mit
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