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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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auf einen Sprung an seine Kehle gefaßt gewesen.
    »Falls Festgreifaah Tee gekocht hat – ich bin recht durstig«, sagte Oma. Sie lehnte sich an den Amboß und schnaufte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich die Hand des jungen Mannes bewegte.
    »Ich hole… ich frage… ich…«
»Ein sehr vernünftiger Mann, der Falkner. Übrigens könnte ich auch einen Keks vertragen.«
    Himmelwärts’ Hand erreichte den Stiel der Axt.
»Noch immer nicht schnell genug«, stellte Oma fest. »Aber nimm das Ding ruhig. Zuerst die Axt, Gebete später. Du siehst wie ein Priester aus. Welchen Gott verehrst du?«
    »Äh… Om.«
»Ist das ein Er oder eine Sie?«
    »Ein Er. Ja. Ein Er. Daran kann kein Zweifel bestehen.« Erstaunlicherweise hatte es darüber keine Zerwürfnisse gegeben. »Äh… macht es dir etwas aus?«
    »Warum sollte es mir etwas ausmachen?«
    »Nun, deine… Kolleginnen haben immer wieder darauf hingewiesen, daß Omnianer Hexen verbrannt haben…«
»So etwas ist nie geschehen«, sagte Oma Wetterwachs.
    »Ich fürchte, aus historischen Unterlagen geht hervor, daß…«
    »Es wurden keine Hexen verbrannt«, beharrte Oma. »Auf dem Scheiterhaufen endeten vermutlich einige alte Frauen, die ihre Meinung sagten oder nicht weglaufen konnten. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, daß jemals Hexen verbrannt wurden«, fügte sie hinzu und rutschte ein wenig zur Seite. »Allerdings könnte es sein, daß Hexen andere Leute verbrannt haben. Wir sind nicht alle lieb und nett.«
    Himmelwärts erinnerte sich daran, daß der Graf seine Mitarbeit am Arca Instrumentorum erwähnt hatte…
    Diese Bücher waren alt! Aber das galt auch für Vampire. Und sie waren der Kanon der Schriften! Die eiskalte Klinge des Zweifels bohrte sich tiefer in sein Gehirn.
    Konnte man wirklich sicher sein, wer was geschrieben hatte? Wem durfte man vertrauen? Wo war die heilige Schrift? Wo steckte die Wahrheit?
    Oma stand auf und wankte zur Werkbank, wo Festgreifaah das Glas mit der Flamme zurückgelassen hatte. Sie betrachtete es aufmerksam.
    Himmelwärts schloß die Hand fester um den Stiel der Axt. Er mußte zugeben, daß sie ihm derzeit etwas mehr Trost spendete als ein Gebet. Vielleicht konnte man mit kleinen Wahrheiten beginnen, in der Art von: Er hielt eine Axt in der Hand.
»Ich mö… möchte sicher sein«, sagte er. »Bist du… bist du ein Vampir?«
    Oma Wetterwachs schien die Frage gar nicht zu hören.
»Wo bleibt Festgreifaah mit dem Tee?« erkundigte sie sich. Der Falkner kam mit einem Tablett herein.
»Freut mich, daß es dir bessergeht, Frau Wetterwachs.«
»Es wurde auch Zeit.«
Der Tee schwappte über, als Oma eine Tasse nahm. Ihre Hand zitterte. »Festgreifaah?«
»Ja, Frau Wetterwachs?«
»Du hast hier einen Feuervogel, nicht wahr?«
»Nein.«
»Ich habe dich bei der Jagd nach ihm beobachtet.«
»Und ich habe ihn gefunden, Frau Wetterwachs. Aber er ist ums Leben
    gekommen. Nur ein Brandfleck auf dem Boden blieb zurück.« »Du solltest mir besser alles darüber erzählen.«
»Ist dies der richtige Zeitpunkt?« fragte Himmelwärts.
»Ja«, sagte Oma Wetterwachs.
Himmelwärts nahm Platz und hörte zu. Festgreifaah war ein sehr origineller und auch recht guter Geschichtenerzähler, auf eine besondere Art. Wenn er aufgefordert worden wäre, die Saga vom Tsortanischen Krieg zu erzählen, hätte er alle beobachteten Vögel beschrieben, auf jeden Kormoran hingewiesen, alle Pelikane aufgelistet, jeden Schlachtfeldraben klassifiziert und keine einzige Seeschwalbe unerwähnt gelassen. An irgendeiner Stelle in der Erzählung wären auch bewaffnete Männer vorgekommen, aber nur deshalb, weil Raben auf ihnen hockten.
    »Der Phönix legt keine Eier«, ließ sich Himmelwärts einmal vernehmen. Dieser Einwand betraf eine Stelle einige Stellen nach der Stelle, an der er gefragt hatte, ob der Falkner betrunken gewesen war.
    »Es ist ein Vogel«, betonte Festgreifaah. »Und Vögel legen Eier. Ich habe die Eierschale mitgenommen.«
Er eilte zum Vogelhort. Himmelwärts sah Oma Wetterwachs an und lächelte nervös.
    »Vermutlich hat er die Schale eines gewöhnlichen Eis gefunden«, sagte er. »Ich habe über den Phönix gelesen. Es ist ein mythisches Geschöpf, ein Symbol, ein…«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Oma. »Ich bin nie einem nahe genug gekommen, um das festzustellen.«
    Der Falkner kehrte mit einer Schachtel zurück. Sie enthielt Pelz- und Wollbüschel, und zwischen ihnen lagen Teile einer Eierschale. Himmelwärts nahm zwei. Sie waren sehr

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