Ruhig Blut!
vielleicht nur deswegen, um den Äquator zu markieren – trug die Frau etwas, das sich nur als eine Art Ballettröckchen identifizieren ließ. Das ganze Erscheinungsbild erinnerte Verence an einen Kreisel, mit dem er als Kind einmal gespielt hatte.
Eine krächzende Stimme erklang an seinem Ohr. »Die Kelda meint, du solltest dich… vorbereiten.«
Verence drehte den Kopf und versuchte, sich auf einen kleinen, verhutzelten Kobold zu konzentrieren, der direkt vor seiner Nase stand. Er bemerkte bleiche Haut und einen langen weißen Bart. Offenbar benutzte der winzige Alte zwei Stöcke zum Gehen.
»Vorbereiten soll ich mich? Auf was?«
»Gut.« Der alte Kobold klopfte mit den Stöcken auf den Boden. »Also los, Wir-sind-die-Größten!«
Blaue Männer eilten Verence aus den Schatten entgegen. Hunderte von Händen ergriffen ihn. Kleine Körper bildeten eine Pyramide, zogen Verence hoch und an die Wand. Einige von ihnen hielten sich mit einer Hand an den aus der Decke ragenden Baumwurzeln fest und zerrten mit der anderen an Verences Nachthemd, um ihn in vertikaler Position zu halten.
Andere Kobolde liefen mit einer großen Armbrust über den Boden und schoben sie auf einen Stein in der Nähe.
»Äh… hallo…«, murmelte Verence.
Die Kelda wankte in den Schatten, und als sie zurückkehrte, waren ihre dicken Hände zu Fäusten geballt. Sie hielt sie übers Feuer.
»Achtung!« sagte der alte Kobold.
»He, das Ding zielt direkt auf mich…«
»Achtung!« riefen die Wir-sind-die-Größten.
»… es ist soweit!«
»Es ist soweit!«
»Äh… dürfte ich vielleicht erfahren, was…«
»Und los!«
Die Kelda warf etwas ins Feuer. Eine weiße Flamme fauchte nach oben und erzeugte überall im Raum klare Trennlinien zwischen Hell und Dunkel. Verence blinzelte.
Als er wieder sehen konnte, steckte ein Armbrustbolzen neben seinem Ohr in der Wand.
Die Kelda brummte einen Befehl. Immer noch tanzte weißes Licht über die Wände. Erneut klopfte der bärtige Kobold mit seinen Stöcken.
»Du mußt gehen. Jetzt!«
Die Wir-sind-die-Größten ließen Verence los. Er taumelte einige Schritte und sank dann zu Boden, doch die Kobolde beachteten ihn gar nicht.
Er sah auf. Sein Schatten zuckte dort an der Wand, wo er eben noch gestanden hatte. Der Schemen wand sich hin und her, versuchte vergeblich, mit substanzlosen Händen den Bolzen zu lösen.
Dann verblaßte der Schatten.
Verence hob die Hand. Sie schien einen normalen Schatten zu werfen. Der alte Kobold humpelte ihm entgegen.
»Jetzt ist alles in Ordnung«, sagte er.
»Ihr habt meinen Schatten erschossen?« fragte Verence.
»Ja, man könnte von einem Schatten sprechen«, erwiderte der Kobold.
»Es war der Einfluß, dem du ausgesetzt warst. Bestimmt wirst du dich rasch davon erholen.«
»Ich werde mich schnell von einem erschossenen Schatten erholen?« vergewisserte sich Verence.
»Ja«, bestätigte der Kobold. »Gruß dir, König. Ich stehe in Diensten der Großen Aggie. Man könnte mich vermutlich als Premierminister bezeichnen, oder so. Wie wär’s mit einem ordentlichen Schluck und einem verbrannten Gerstenmehlkuchen dazu?«
Verence rieb sich das Gesicht. Er fühlte sich schon viel besser. Geistiger Nebel löste sich auf.
»Wie kann ich euch dafür danken?« fragte er.
In den Augen des Kobolds glänzte es zufrieden.
»Oh, es gibt da eine kleine Sache, von der die nette Frau Ogg gesprochen hat«, sagte der alte Kobold. »Ist eigentlich kaum der Rede wert.«
»Was immer ihr wollt«, erwiderte Verence.
Zwei andere Kobolde näherten sich und schnauften vor Anstrengung: Sie trugen ein sehr großes, zusammengerolltes Pergament und verharrten damit vor Verence. Der Alte mit den Stöcken hielt plötzlich einen Federkiel in der Hand.
»Ich meine eine Unterschrift«, sagte er, als Verence auf eine winzige Handschrift starrte. »Lies auch alle Zusatzparagraphen und Anhänge. Die Wir-sind-die-Größten sind ein einfaches Volk«, fügte er hinzu, »aber wir schreiben sehr komplexe Dokumente.«
Hilbert Himmelwärts sah über seine betenden Hände hinweg zu Oma Wetterwachs. Sie bemerkte, wie sein Blick zur Axt glitt und dann zu ihr zurückkehrte.
»Du würdest sie nicht rechtzeitig erreichen«, sagte Oma, ohne sich zu bewegen. »Du solltest sie bereits in der Hand halten. Gebete sind schön und gut – sie können recht nützlich sein, wenn es darum geht, die Gedanken zu ordnen. Aber eine Axt ist eine Axt, ganz gleich, woran du glaubst.«
Himmelwärts entspannte sich ein wenig. Er war
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