Ruhig Blut!
»Ist ziemlich schnell, dieses Ding.«
»Ich wünschte, wir hätten nicht auch die Badewanne vergessen«, meinte Magrat. »Und wir haben den Beutel mit dem Spielzeugbauernhof zurückgelassen. Und langsam werden die Windeln knapp…«
»Sehen wir uns das Kind mal an«, sagte Nanny.
Die kleine Esme wurde durch die schwankende Kutsche gereicht. »Ja, sehen wir dich mal an…«, murmelte Nanny.
Der Blick kleiner blauer Augen richtete sich auf sie. Ein nachdenklicher Ausdruck entstand in einem runden, rosaroten Gesicht – vermutlich fragte sich das Kind, ob eine Mahlzeit in Aussicht stand oder ob sie Nanny als Toilette benutzen durfte.
»Das ist bemerkenswert«, sagte Nanny. »Ich meine, wie gut sie den Blick fokussiert. Das ist sehr ungewöhnlich für ihr Alter.«
»Vielleicht ist sie weitaus älter, als wir glauben«, sagte Magrat finster.
»Pscht. Wenn Oma dort drin steckt, beschränkt sie sich auf eine passive Rolle. Sie mischt sich nicht ein. Außerdem wäre es nicht ihr Bewußtsein da drin. So funktioniert es nicht.«
»Wie dann?«
»Du hast sie mehrmals dabei beobachtet. Was glaubst du?« »Ich glaube… der Vorgang betrifft alle Dinge, die Oma zu Oma machen«, sagte Magrat.
»Das stimmt so ungefähr. Sie packt alles ein und verstaut es woanders, an einem sicheren Ort.«
»Du weißt ja, daß sie sogar auf ihre eigene Weise still sein kann.« »O ja. Niemand kann schweigen wie Esme. In einer solchen Stille kann man kaum mehr seine eigenen Gedanken hören.«
Sie hüpften auf der Sitzbank, als die Kutsche durch ein Schlagloch sprang.
»Nanny?«
»Ja, meine Liebe?«
»Mit Verence ist doch alles in Ordnung, oder?«
»Ja. Ich vertraue den kleinen Teufeln, wenn’s nicht gerade um ein Faß
Bier oder eine Kuh geht. Selbst Oma meint, die Kelda sei verdammt gut…«
»Die Kelda?«
»Eine Art weise Frau. Ich glaube, die derzeitige Kelda heißt Große Aggie. Von den Frauen der Kobolde sieht man nicht viel. Einige behaupten, es gäbe immer nur eine, die Kelda, und sie bekäme jeweils Hunderte von Kindern.«
»Das klingt… sehr…«, begann Magrat.
»Nein, ich schätze, sie sind ein wenig wie Zwerge, und der einzige Unterschied zwischen ihnen steckt unterm Lendenschurz«, sagte Nanny.
»Oma weiß vermutlich darüber Bescheid«, meinte Magrat.
»Aber sie verrät nichts«, erwiderte Nanny. »Sie vertritt den Standpunkt, es sei ihre Angelegenheit.«
»Und Verence ist bei ihnen gut aufgehoben?«
»O ja.«
»Er ist sehr… nett, weißt du.« Magrats Satz hing in der Luft. »Freut mich.«
»Und auch ein guter König.«
Nanny nickte.
»Ich wünschte, die Leute würden ihn… ernster nehmen«, fügte Magrat
hinzu.
»Ist wirklich schade«, sagte Nanny.
»Er gibt sich große Mühe. Und er macht sich über alles Gedanken. Aber die Leute erwecken immer den Eindruck, daß sie ihm keine Beachtung schenken.«
Nanny suchte nach geeigneten Worten.
»Er könnte zum Beispiel seine Krone bearbeiten lassen«, sagte sie vorsichtig, als die Kutsche einmal mehr wackelte. »Die Zwerge von Kupferkopf wären sicher bereit, sie etwas kleiner zu machen.«
»Es ist die traditionelle Krone, Nanny.«
»Ja, aber Verence kann von Glück sagen, daß er solche Ohren hat. Sonst müßte er die Krone als eine Art Kragen benutzen, der arme Kerl. Außerdem sollte er ab und zu brüllen.«
»Oh, ausgeschlossen, er verabscheut es, laut zu werden!«
»Sehr bedauerlich. Die Leute mögen einen König, der dann und wann brüllt. Und ein gelegentlicher Rülpser erfreut sich ebenfalls großer Beliebtheit. Und es könnte auch nicht schaden, wenn er ein wenig zecht. Ich meine ordentlich schlabbern und so.«
»Ich glaube, er glaubt, daß seine Untertanen so etwas nicht wollen. Er achtet sehr auf die Bedürfnisse der modernen Bürger.«
»Oh, ich verstehe, wo das Problem liegt«, sagte Nanny. »Normalerweise brauchen die Leute heute etwas und morgen etwas ganz anderes. Sag ihm einfach, er soll sich aufs Brüllen und Zechen konzentrieren.«
»Und aufs Rülpsen?«
»Wenn ihm genug Zeit dafür bleibt.«
»Und…«
»Ja, meine Liebe?«
»Es ist doch alles in Ordnung mit ihm?«
»Ja. Ihm wird nichts zustoßen. Es ist wie bei dem Schachkram, verstehst du? Man überläßt der Königin – beziehungsweise der Dame – das Kämpfen, denn wenn man den König verliert, ist alles verloren.«
»Und wir?«
»Oh, wir haben nie etwas zu befürchten. Das darfst du nicht vergessen. Wir stoßen anderen Leuten zu.«
Ziemlich viele Leute stießen König Verence zu. In
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