Ruhig Blut!
kürzesten Weg zum Schloß‹«, las sie laut. »So einen Verstand muß man bewundern. Er kannte sich gut mit der menschlichen Natur aus.«
»Gibt es nicht mehrere Zugänge?« fragte Magrat, als sie an einem weiteren Schild vorbeikamen. Die Aufschrift lautete: »Haltet euch vom Parkplatz für Kutschen fern, nach zwanzig Metern auf der linken Seite.«
»Igor?« fragte Nanny.
»Früher kämpften die Vampire gegeneinander«, erwiderte Igor. »Defhalb exiftiert nur ein Zugang.«
»Oh, na schön, wenn’s unbedingt sein muß«, sagte Magrat. »Du nimmst das Schaukelpferd und den Beutel mit den gebrauchten Windeln. Und die Teddybären. Und das Ding, das sich dreht und Geräusche macht, wenn sie an der Schnur zieht…«
An der Zugbrücke verkündete ein Schild: »Letzte Chance, dem Schloß fernzubleiben.« Nanny Ogg lachte und lachte.
»Der Graf wird sicher sehr böse auf dich sein, Igor«, sagte sie, als er die große Tür aufschloß.
»Der Graf kann mich mal«, erwiderte Igor. »Ich packe meine Fachen und gehe nach Blinf. Dort gibt ef immer Arbeit für einen Igor. Und ef heift, dort schlügen weit und breit die meiften Blitze im Jahr ein.«
Nanny Ogg rieb sich die Augen. »Zum Glück sind wir bereits durchnäßt«, sagte sie. »Na schön. Gehen wir ins Schloß. Und noch etwas, Igor. Wenn du unf… äh… uns irgendwie hintergangen hast, mach ich dich zur Minna.«
Igor senkte verlegen den Blick. »Oh, ich wage nicht einmal, mir fo etwaf zu erhoffen«, murmelte er.
Magrat kicherte. Igor schob die Tür auf und humpelte über die Schwelle.
»Was ist denn?« fragte Nanny.
»Hast du nicht bemerkt, wie er dich ansieht?« fragte Magrat, als sie der hinkenden Gestalt folgten.
»Was, er?« erwiderte Nanny.
»Ich glaube, in ihm lodert das Feuer der Leidenschaft«, sagte Magrat.
»Na, da soll er nur aufpassen, daß er sich nicht verbrennt«, meinte Nanny. »Wie dem auch sei: Er könnte es mit seinem Speichelregen löschen.«
»Ich bin ziemlich sicher, daß er wirklich ein Auge auf dich geworfen hat.«
»Oh, ich weiß nicht, ich weiß wirklich nicht. Ich meine, ich fühle mich geschmeichelt, aber ein so schlaffer Bursche kommt für mich nicht in Frage.«
»Was ist denn schlaff an ihm?«
Nanny Ogg hatte es für unmöglich gehalten, in ihrem Alter noch geschockt sein zu können, aber jetzt war sie einige Sekunden lang sprachlos.
»Ich bin eine verheiratete Frau«, sagte Magrat und lächelte, als sie Nannys Gesichtsausdruck sah. Es fühlte sich gut an, einen kleinen Tapeziernagel auf den Pfad zu legen, über den Nanny sorglos durchs Leben schlenderte.
»Aber… ist Verence… ich meine, ist alles in Ordnung mit ihm… wirklich alles?«
»Oh, ja. Er ist… in Ordnung. Aber jetzt verstehe ich deine diesbezüglichen Witze.«
»Was, alle ?« fragte Nanny und klang dabei wie ein Kartenspieler, der feststellen mußte, daß jemand die Asse versteckt hatte.
»Nun, das mit dem Priester, der alten Frau und dem Nashorn verstehe ich noch immer nicht«, gestand Magrat.
»Das will ich auch hoffen!« erwiderte Nanny. »Ich habe den Witz erst verstanden, als ich vierzig wurde!«
Igor humpelte zurück.
»Ef find nur die Bedienfteten da«, lispelte er. »Ich bringe euch in meinem Quartier im alten Turm unter. Dort find die Türen befonderf dick.« »Das würde Frau Ogg sicher zu schätzen wissen«, sagte Magrat. »Sie meinte gerade, daß ihr deine Beine gefallen, nicht wahr, Nanny…?« »Möchtet ihr welche?« fragte Igor in ernstem Tonfall. »Ich habe jede Menge davon und könnte ein wenig mehr Platf gebrauchen.« »Wie bitte?« Nanny blieb abrupt stehen.
»Du kannft dich vertrauenfvoll an mich wenden, wenn du irgendein Organ brauchst«, sagte Igor.
Magrat hustete erstickt.
»Du hast… Teile von Menschen auf Eis gelegt?« brachte Nanny entsetzt hervor. »Fremde Leute? Zerhackt? Ich gehe keinen Schritt weiter!«
Daraufhin wirkte Igor entsetzt.
»Keine fremden Leute«, sagte er. »Familienangehörige.«
»Du hast Verwandte zerhackt?« Nanny wich zurück.
Igor gestikulierte nervös.
»Ef ift Tradition!« sagte er. »Jeder Igor hinterläft feinen Körper der
Familie. Warum gute Organe vergeuden? Zum Beifpiel mein Onkel Igor: Er ftarb an Büffeln, mit Herz und Nieren war allef in befter Ordnung, und auferdem hatte er noch Grofvaterf Hände, und ef waren verdammt gute Hände, daf verfichere ich euch.« Er schniefte. »Ich wünschte, ich hätte fie jetzt. Er war ein grofartiger Chirurg.«
»Nun… ich weiß, daß es in den meisten
Weitere Kostenlose Bücher