Ruhig Blut!
Beachtung«, meinte Nanny. »Sie kommen einfach.«
Millie hob die Hand vor den Mund, hüstelte verlegen und sah zu Magrat, die mit wachsender Verzweiflung winkte.
»Nun… äh… die Königin ist der Ansicht, daß wir nicht noch mehr Zeit verlieren sollten, und deshalb… äh… läßt sie fragen, ob du die Patin sein könntest, Frau Ogg?«
Die Falten in Nannys Gesicht verdoppelten sich, als sie lächelte. »Weißt du was?« wandte sie sich an Millie. »Ich vertrete Oma, bis sie eintrifft, in Ordnung?«
Erneut wanderte Oma Wetterwachs in der spartanischen Gräue ihrer Küche auf und ab. Gelegentlich sah sie auf den Boden. Unter der Tür war ziemlich viel Platz, und manchmal konnten Dinge überallhin geweht werden. Aber sie hatte schon ein dutzendmal gesucht, und inzwischen gab es im ganzen Land vermutlich keinen saubereren Boden. Außerdem war es ohnehin zu spät.
Und dennoch… Überwald … *
Sie ging noch einige Male auf und ab.
»Der Schlag soll mich treffen, wenn ich ihnen eine solche Genugtuung
gönne«, brummte sie.
* Auf den wenigen Karten der Spitzhornberge stand der Name »Uberwald«, weil die Lancrestianer nichts von Akzentzeichen und noch weniger von Umlauten hielten. Sie wollten nicht zwei Punkte auf einem Buchstaben balancieren, wenn das Risiko bestand, daß sie herunterrollen und für falsche Interpunktion sorgten.
Oma nahm in ihrem Schaukelstuhl Platz, stand so schnell wieder auf, daß der Stuhl fast umkippte, und setzte die unruhige Wanderung fort.
»Ich meine, ich bin nie jemand gewesen, der sich in den Vordergrund stellt«, teilte sie der Luft mit. »Ich gehe nie dorthin, wo ich nicht willkommen bin, das steht fest.«
Sie beschloß, Tee zu kochen, griff mit zitternden Händen nach dem Kessel und ließ den Deckel des Zuckerschälchens fallen – er zerbrach.
Licht fiel ihr in die Augen. Der Halbmond glühte über dem Rasen.
»Und überhaupt ist es nicht so, daß ich keine anderen Dinge zu tun hätte«, sagte sie. »Kann nicht dauernd irgendwelche Feste besuchen… Hätte mich ohnehin nicht auf den Weg gemacht.«
Einmal mehr stolzierte Oma durch die Küche und dachte: Wenn ich es gefunden hätte, wäre der Wattlich-Junge umsonst hierhergekommen. Dann hätte ich das Schloß aufgesucht, um mich dort zu vergnügen. Und dann wäre Herr Efeu jetzt allein…
»Verflixt!«
Das war das Schlimme daran, wenn man gut war – man konnte nicht damit aufhören.
Sie landete wieder im Schaukelstuhl und wickelte sich den Schal um den Hals, um vor der Kälte geschützt zu sein. Das Feuer im Kamin war erloschen, denn sie hatte nicht damit gerechnet, an diesem Abend zu Hause zu sein.
Schatten füllten die Ecken des Zimmers, doch Oma verzichtete darauf, die Lampe anzuzünden. Die Kerze mußte genügen.
Während sie schaukelte und zur Wand starrte, wurden die Schatten immer länger.
Agnes folgte Nanny in den Saal. Vermutlich war das nicht vorgesehen, aber niemand wagte es, den Hut der Autorität aufzuhalten.
In diesem Teil der Spitzhornberge gab es viele kleine Länder. Jedes Gletschertal, das von seinem Nachbarn durch einen Pfad getrennt war, der eine Kletterpartie oder gar eine Leiter erforderte, regierte sich praktisch selbst. Soweit Agnes wußte, herrschten hier ziemlich viele Könige, auch wenn manche von ihnen dies abends erledigten, nach dem Melken der Kühe. Die meisten von ihnen befanden sich jetzt im Großen Saal, denn eine kostenlose Mahlzeit lehnten sie nie ab. Dabei waren einige hochrangige Zwerge von Kupferkopf und mehrere Trolle, die weit genug abseits standen. Sie trugen keine Waffen, und deshalb nahm Agnes an, daß es sich um Politiker handelte. Trolle gehörten eigentlich nicht zu den Untertanen König Verences, aber durch ihre Anwesenheit wiesen sie mit offizieller Körpersprache auf folgendes hin: Es kam nicht mehr vor, daß man mit Menschenköpfen Fußball spielte. Zumindest nicht oft. Eigentlich kaum noch. Zumindest nicht hier. Es gab praktisch ein Gesetz dagegen.
Millie führte die Hexen zu den Thronen und eilte dann fort. Der omnianische Priester nickte ihnen zu.
»Guten… ähm… Abend«, sagte er und steckte überhaupt niemanden in Brand. Er war nicht sehr alt und hatte ein großes Furunkel neben der Nase. In Agnes schnitt Perdita eine Grimasse.
Nanny Ogg brummte. Agnes riskierte ein kurzes Lächeln.
»Ihr müßt einige der… ähm… Hexen sein, von denen ich hier gehört habe«, sagte er. Sein Lächeln war erstaunlich und funktionierte so, als hätte jemand ein kleines
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