Ruhig Blut!
hatte, rollte zur Seite, gähnte, sah kurz zum König und begann sich zu putzen.
»Oh, Greebo«, sagte Nanny. »Ich habe mich schon gefragt, wo du steckst…«
»Könntest du ihn bitte wegnehmen, Frau Ogg?« fragte der König.
Agnes sah zu Magrat. Die Königin hatte sich halb abgewandt, stützte den Ellenbogen auf die Armlehne des Throns und hielt sich den Mund zu. Ihre Schultern bebten.
Nanny nahm Greebo vom anderen Thron herunter. »Eine Katze darf einen König ansehen«, sagte sie.
»Aber nicht mit einem solchen Gesichtsausdruck«, erwiderte Verence.
Er winkte den Gästen würdevoll zu, als es Mitternacht schlug. »Du solltest jetzt besser anfangen«, forderte Verence den Priester auf. »Ich… ähm… habe eine kleine Predigt vorbereitet, und dabei…
ähm… geht es um das Thema Hoffnung für…«, begann Hilbert Himmelwärts, doch hinter ihm brummte Nanny. Der Omnianer zuckte plötzlich zusammen, neigte sich ein wenig nach vorn und blinzelte. Sein Adamsapfel hüpfte mehrmals auf und ab. »Aber ich fürchte, wir haben keine Zeit dafür«, sagte er schnell.
Magrat beugte sich zur Seite und flüsterte ihrem Mann etwas ins Ohr. Agnes hörte ihn antworten: »Nun, meine Liebe, ich schätze, wir haben gar keine Wahl, ob sie nun hier ist oder nicht…«
Shawn eilte herbei, ein wenig außer Atem, und trug seine Perücke seitlich auf dem Kopf. Er hielt ein Kissen in den Händen. Auf dem alten Samt ruhte der eiserne Schlüssel des Schlosses.
Millie Chillum reichte das Baby vorsichtig dem Priester, der es behutsam hielt.
Das königliche Paar gewann den Eindruck, daß der Omnianer plötzlich sehr stockend sprach. Die hinter ihm stehende Nanny Ogg zeigte ein überzeugendes Interesse, das zu hundert Prozent gespielt war.
Der Priester sprach nicht nur seltsam, sondern schien auch an häufigen kurzen Krämpfen zu leiden.
»… haben wir uns hier versammelt, um… uns zu versammeln und…«
»Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte der König und beugte sich vor.
»Es ging mir nie besser, das versichere ich dir, Herr«, erwiderte Himmelwärts kummervoll. »Und hiermit gebe ich Euch, ich meine dir, den Namen…«
Es folgte eine schreckliche Pause.
Mit steinerner Miene reichte der Priester das Baby Millie. Dann nahm er den Hut ab, zog einen Zettel aus dem Futter und las. Seine Lippen bewegten sich mehrmals, als er die Worte leise wiederholte. Dann setzte er den Hut wieder auf und nahm das Baby erneut entgegen.
Kleine Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
»Hiermit gebe ich dir den Namen… Esmerelda Margaret Auf Die Richtige Schreibweise Achten von Lancre!«
Einige Sekunden herrschte schockierte Stille.
»Auf die richtige Schreibweise achten?« wiederholten Magrat und Agnes wie aus einem Mund.
»Esmerelda?« entfuhr es Nanny.
Das Baby öffnete die Augen.
Und die beiden Flügel der großen Doppeltür schwangen auf.
Eine Wahl treffen. Darum ging es immer. Man mußte eine Wahl treffen…
Zum Beispiel der Mann in Spackel, der die kleinen Kinder umgebracht hatte. Die Leute hatten sie gerufen, und ihr genügte ein Blick in sein Selbst, um die Schuld wie einen sich hin und her windenden roten Wurm zu erkennen. Und dann hatte sie die Leute zu seinem Bauernhof gebracht und ihnen die Stelle gezeigt, wo es zu graben galt, und er hatte sich vor ihr auf den Boden geworfen und sie um Gnade gebeten, dem Alkohol die Schuld gegeben…
Sie erinnerte sich an ihre eigenen Worte. Ganz nüchtern hatte sie gesagt: Es soll mit Hanf enden.
Und die Leute hatten den Mann fortgezerrt und mit einem Hanfseil gehängt, und sie hatte dabei zugesehen, denn soviel schuldete sie ihm, und er hatte sie verflucht, was sie als ungerecht empfand, denn Hängen war ein sauberer Tod, zumindest sauberer als das Ende, das er bei den Dorfbewohnern gefunden hätte, wenn sie mutig genug gewesen wären, sich ihr zu widersetzen, und sie hatte gesehen, wie der Schatten des Todes über ihn kam, und hinter Tod kamen kleinere, hellere Gestalten, und dann…
Der Schaukelstuhl knarrte in der Dunkelheit, als er sich ziemlich energisch nach vorn und hinten neigte.
Die Dorfbewohner hatten gesagt, der Gerechtigkeit sei Genüge getan worden, und dann hatte sie die Geduld verloren und sie aufgefordert, heimzukehren, zu den Göttern zu beten, an die sie glaubten, und sie zu bitten, daß ihnen nie ein solches Schicksal zuteil wurde. Die Selbstgefälligkeit triumphierender Tugend konnte fast ebenso schlimm sein wie entblößte Verderbtheit.
Sie schauderte bei der
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