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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zwar von den Füßen aufwärts, damit er dabei zusehen kann. Eigentlich tun wir ihm damit einen Gefallen.«
    »Ja, ich schätze, so ist es das Beste«, sagte der Graf kummervoll. »Ich weiß noch, wie du mich aufgefordert hast, die Katze von ihrem Elend zu befreien«, meinte Lacrimosa.
    »Eigentlich wollte ich dich darum bitten, sie nicht mehr zu quälen«, erwiderte der Graf. »Aber du hast recht. Ja, wir müssen uns von ihm trennen…«
    Igor führte Verence herein, und das Gesicht des Königs zeigte das typische verwirrte Lächeln einer normalen Person in Gegenwart des Grafen.
    »Ah, Euer Majestät«, sagte die Gräfin und trat auf ihn zu. »Bitte leiste uns bei einer leichten Mahlzeit Gesellschaft.«
    Agnes’ Haar verfing sich in den Zweigen. Es gelang ihr, den rechten Fuß auf einen Ast zu setzen, während sie sich mit beiden Händen fast verzweifelt an einem anderen Ast weiter oben festhielt. Der linke Fuß blieb auf dem Besen, der zur Seite glitt und die junge Hexe zu einem Spagat zwang, den selbst Ballerinen nicht ohne eine besondere Ausbildung vollbringen.
»Kannst du was erkennen?« rief Nanny von viel zu weit unten. »Ich glaube, es ist ebenfalls ein altes Nest. O nein…«
»Was ist passiert?«
»Ich fürchte, mein Schlüpfer ist gerissen…«
»Ich lege immer großen Wert darauf, daß die Dinger genug Platz bieten«, sagte Nanny.
    Agnes setzte den linken Fuß auf einen Zweig, der bedrohlich knackte. Trampel, dachte Perdita. Ich könnte hier wie eine Gazelle klettern! »Gazellen klettern nicht!« erwiderte Agnes scharf.
»Wie bitte?« ertönte es von unten.
»Oh, schon gut…«
Agnes schob sich vorsichtig weiter, und plötzlich füllten schwarz-weiße
    Federn ihr Blickfeld. Eine Elster landete nur dreißig Zentimeter vom Gesicht der jungen Hexe entfernt auf einem Zweig und schnatterte. Fünf weitere segelten von nahen Bäumen heran und stimmten mit ein.
    Eigentlich mochte Agnes gar keine Vögel. Es gab nichts gegen sie einzuwenden, wenn sie hoch am Himmel flogen, und manchmal klang ihr Gezwitscher ganz nett. Aber wenn man sie aus der Nähe sah, waren es zornige Nadelkugeln mit der Intelligenz einer Stubenfliege.
    Sie schlug nach der nächsten Elster, die daraufhin zu einem höher gelegenen Ast flatterte, während Agnes um ihr Gleichgewicht kämpfte. Als der Ast unter ihr nicht mehr schwankte, setzte sie den Weg behutsam fort und versuchte dabei, den wütenden Vögeln keine Beachtung zu schenken und sich auf das Nest zu konzentrieren.
    Es ließ sich kaum feststellen, ob es die Reste eines alten Nestes oder das Fundament eines neuen war. Es enthielt ein wenig Flitter, einen Glassplitter, der selbst unter dem grauen Himmel glitzerte, und ein weißes Objekt mit… goldener Kante.
    »›Fünf für Smaragde… sechs für Achat… ‹«, sagte Agnes zu sich selbst. »Es heißt ›fünf die Hölle, die Sechs Paradies‹!« rief Nanny von unten. »Ich kann das Nest von hier aus erreichen…«
Der Ast brach. Auf dem Weg in die Tiefe gab es noch viele andere Äste und Zweige, aber diese bremsten den Fall nur wenig. Der letzte warf Agnes in einen Busch.
    Nanny nahm die Einladungskarte aus der nach oben gestreckten Hand. Regen hatte die Tinte verwischt, doch das Wort »Wetterwachs« ließ sich noch immer klar entziffern. Mit dem Daumen kratzte sie an der goldenen Kante.
    » Zuviel Gold«, sagte sie. »Nun, jetzt wissen wir, warum Esme nicht gekommen ist. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, daß Elstern alles stehlen, was glänzt.«
    »Ich bin nicht verletzt«, verkündete Agnes. »Der Busch hat den Aufprall gedämpft.«
»Ich drehe ihnen die verdammten Hälse um«, sagte Nanny. Die Elstern in den Bäumen kreischten.
    »Allerdings ist mein Hut ein wenig verrutscht«, fügte Agnes hinzu, erhob sich und gab den sinnlosen Versuch auf, Mitleid zu erregen. »Na schön, wir haben die Einladungskarte gefunden. Es war alles ein bedauerlicher Irrtum. Niemand hat schuld. Laß uns jetzt nach Oma suchen.«
    »Das hat keinen Sinn, wenn sie nicht entdeckt werden will«, sagte Nanny und rieb noch immer nachdenklich den Rand der Karte. »Du könntest borgen. Selbst wenn sie früh aufgebrochen ist – einige Geschöpfe haben sie bestimmt gesehen…«
    »Ich borge nicht mehr«, entgegnete Nanny mit fester Stimme. »Mir fehlt Esmes Selbstdisziplin. Ich lasse mich… in Dinge verwickeln. Einmal bin ich drei Tage lang ein Kaninchen gewesen, bis unser Jason Esme holte – sie brachte mich zurück. Noch etwas länger, und es hätte

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