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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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fort, stoben an den
    wartenden Erwachsenen vorbei und glucksten.
    Der Verdacht wuchs in Agnes wie eine große schwarze Rose, deren
    Blütenblätter rote Ränder hatten.
    Vlad spürte offenbar, daß sie sich versteifte, denn seine Hand schloß
    sich fester um ihren Arm.
    »Ich weiß, was du denkst…«, begann er.
    »Du weißt nicht, was ich denke, aber ich werd’s dir sagen«, erwiderte Agnes und versuchte, das Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen.
    »Du…«
    »Es könnte viel schlimmer sein. Früher war es viel schlimmer…«
    Der Graf kehrte zurück. »Gute Nachrichten«, verkündete er. »Drei
    Kinder sind gerade zwölf geworden.« Er sah Agnes an und lächelte. »Wir
    veranstalten eine kleine… Zeremonie, bevor die Hauptlotterie stattfin-
    det. Eine Art Rites de passage. Um ganz ehrlich zu sein: Ich glaube, sie
    freuen sich darauf.«
    Er beobachtet dich, um festzustellen, wie du reagierst, sagte Perdita. Vlad ist einfach nur dumm, und Lacrimosa würde aus deinem Haar Flanell weben, wenn sie eine Chance dazu bekäme. Aber der Graf geht dir sofort an die Kehle, wenn du zum falschen Zeitpunkt blinzelst, und deshalb rate ich dir, nicht zum falschen Zeitpunkt zu blinzeln, denn selbst Hirngespinste möchten am Leben bleiben…
    Doch Agnes spürte, wie Entsetzen in ihr aufstieg. Und es war falsch, die falsche Art von Entsetzen, ein betäubendes, kaltes, Übelkeit erregendes Grauen, das sie an Ort und Stelle erstarren ließ. Sie mußte handeln, irgend etwas unternehmen, um sich von der gräßlichen Lähmung zu be-
    freien…
    Vlads Stimme erklang.
    »Es ist nichts Dramatisches«, sagte er. »Nur ein kleiner Blutstropfen…
    Vater hat die Schule besucht und erklärt, was es mit dem Bürgerstatus
    auf sich hat…«
    »Wie nett«, krächzte Agnes. »Kriegen sie ein Abzeichen?« Hinter die-
    sem Satz mußte Perdita stecken – Agnes konnte sich selbst nicht vorstel-
    len, so geschmacklos zu sein, nicht einmal aus Sarkasmus.
    »Ha, nein. Aber was für eine gute Idee«, sagte der Graf und schenkte ihr ein weiteres kurzes Lächeln. »Ja…, vielleicht ein Abzeichen, oder eine
    kleine Plakette. Etwas, das man später hervorholen und zeigen kann. Ich
    werde drüber nachdenken. Und jetzt…, laß uns anfangen. Ah, der Bür-
    germeister hat schon die lieben Kinder zusammengerufen.«
    Irgendwo weiter hinten ertönte ein Schrei, und Agnes sah jemanden
    nach vorn drängen. Der Bürgermeister nickte zwei Männern in der Nähe
    zu, die sofort loseilten. Es kam zu einem kurzen Handgemenge in den
    Schatten. Agnes glaubte, auch den Schrei einer Frau zu hören, der ganz
    plötzlich abbrach. Eine Tür fiel zu.
    Der Bürgermeister drehte sich um und begegnete Agnes’ Blick. Sie
    wandte sich von ihm ab, weil sie seinen Gesichtsausdruck nicht sehen
    wol te. Manche Menschen verstanden es gut, sich die Höl e vorzustellen,
    und manchmal gerieten sie schon zu ihren Lebzeiten dorthin.
    »Sol en wir fortfahren?« fragte der Graf.
    »Würdest du bitte meinen Arm loslassen, Vlad?« fragte Agnes zucker-
    süß.
    Sie warten auf deine Reaktion, flüsterte Perdita. Ach, erwiderte Agnes in ihrem Kopf, sol ich hier einfach stehenbleiben und mir alles ansehen?
    So wie die anderen? Ich habe dich doch schon darauf hingewiesen. Sieh sie dir nur an. Stehen da wie Schlachtvieh! Vielleicht sind sie wirklich vernünftig, wie Vlad behauptet, sagte Agnes. Oh, na schön… Möglicherweise gelingt es dir irgendwie, das verdammte Grinsen aus Lacrimosas Gesicht zu vertreiben. Damit würde ich mich zufriedengeben…
    Die Vampire konnten sehr schnell sein. Selbst ein Schrei würde nicht
    funktionieren. Vielleicht schaffte sie es, tief Luft zu holen, aber das wäre es auch schon.
    Vermutlich erwachte sie anschließend als Vampir, ohne den Unter-
    schied zwischen Gut und Böse zu kennen. Aber darum ging es gar nicht.
    Es ging einzig und allein um das Hier und Heute, um das Jetzt…
    Sie sah jeden einzelnen Feuchtigkeitstropfen in der Luft, nahm den
    Geruch niedergebrannter Feuer wahr und hörte die Mäuse in den Stroh-
    dächern der Häuser. Agnes’ Sinne leisteten harte Arbeit, um die letzten
    Sekunden ihrer Existenz besonders erlebnisintensiv zu gestalten…
    »Warum eigentlich?« Lacrimosas Stimme schnitt wie eine Säge durch
    den Nebel.
    Agnes blinzelte. Das Mädchen näherte sich ihrem Vater und richtete
    einen herausfordernden Blick auf ihn.
    »Warum fängst du immer an?« fragte sie.
    »Lacrimosa! Was ist nur in dich gefahren? Ich bin das Oberhaupt des

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