Ruhig Blut!
Respekt.
» Früher war das einmal der Fal , glaube ich«, sagte Verence.
»Und sie haben vor al em Hexen verbrannt!«
Verence nahm die Krone ab, putzte sie mit dem Ärmel und zeigte eine
Vernunft, die einen zur Raserei bringen konnte.
»Soweit ich weiß, waren sie beim Verbrennen nicht besonders wähle-
risch«, meinte er. »Aber das alles geschah vor langer Zeit.«
»Unser Jason hat ihre Predigten unten in Ohulan gehört und meint, sie
hätten einige sehr scheußliche Dinge über Hexen gesagt!«
»Leider kennen nicht al e Leute Hexen so gut wie wir«, erwiderte Ve-
rence. In ihrem derzeitigen überhitzten Zustand glaubte Nanny, daß er
sich ihr gegenüber viel zu diplomatisch verhielt.
»Und unser Wayne meint, daß sie versuchen, Leute gegen andere Reli-
gionen aufzubringen«, fuhr Nanny fort. »Nach der Eröffnung ihrer Mis-
sion haben sogar die Offlerianer ihre Sachen gepackt und sind gegangen.
Es ist eine Sache zu behaupten, man hätte den besten Gott. Aber auch
noch zu sagen, er sei der einzige… Das halte ich nun wirklich für über-
trieben. Und ihrer Meinung nach beginnt man sein Leben als Sünder und wird erst gut, indem man an Om glaubt, was völ iger Unsinn ist. Ich
meine, nimm nur das kleine Mädchen… äh… wie sol es heißen…?«
»In zwanzig Minuten werden es alle wissen, Nanny«, sagte Verence ru-
hig.
»Ha!« Nannys Tonfal machte deutlich, daß Radio Ogg diesen Umgang
mit Nachrichten mißbilligte. »Was ist das Schlimmste, was man von ei-
nem so kleinen Kind erwarten kann? Schmutzige Windeln und Geschrei
in der Nacht. So etwas dürfte wohl kaum ›sündig‹ sein.«
»Du hast nie Einwände gegen die Düsteren Brüder erhoben, Nanny.
Oder gegen die Rätsler. Und die Balancierenden Mönche kommen im-
mer wieder hierher.«
»Ich erhebe keine Einwände gegen sie, weil niemand von ihnen Ein-
wände gegen mich erhebt«, sagte Nanny.
Verence drehte sich um. Er fand diese Sache beunruhigend. Er kannte
Nanny Ogg gut, aber hauptsächlich als eine Person, die hinter Oma Wet-
terwachs stand und viel lächelte. Mit einer zornigen Ogg ließ sich nur
schwer umgehen.
»Ich glaube, du nimmst dir dies al es viel zu sehr zu Herzen, Frau
Ogg«, sagte er.
»Es wird Oma Wetterwachs nicht gefal en!« entgegnete Nanny und
spielte damit ihren Trumpf aus. Erschrocken stellte sie fest, daß die ge-
wünschte Wirkung ausblieb.
»Oma Wetterwachs ist nicht der König, Frau Ogg«, erwiderte Verence.
»Und die Welt ändert sich. Es gibt eine neue Ordnung. Früher einmal
waren Trolle Ungeheuer, die Menschen fraßen, doch unsere Bemühun-
gen – und natürlich die der Trol e – sowie guter Wil e und Friedfertigkeit
haben dazu geführt, daß wir inzwischen gut miteinander zurechtkommen
und uns hoffentlich verstehen. Es ist nicht länger nötig, daß sich kleine
Königreiche nur um kleine Dinge kümmern. Wir sind Teil einer großen
Welt. Und wir müssen unserer Verantwortung gerecht werden. Was ist
zum Beispiel mit der Muntab-Frage?«
Nanny Ogg stel te die Muntab-Frage: »Wo liegt Muntab?«
»Muntab ist einige tausend Meilen entfernt, Frau Ogg. Aber dieses
Land hat mittwärts gerichtete Absichten, und wenn es zu einem Krieg
mit Borograwien kommt, müssen wir Stel ung beziehen.«
»Für mich ist al es in bester Ordnung, wenn die Entfernung einige tau-
send Meilen beträgt«, sagte Nanny. »Ich fürchte, ich verstehe nicht…«
»Nein, du verstehst tatsächlich nicht«, unterbrach Verence die Hexe.
»Und man erwartet es auch nicht von dir. Angelegenheiten in fernen
Ländern können sich ganz in der Nähe auswirken. Wenn Klatsch niest,
holt sich Ankh-Morpork eine Erkältung. Wir müssen aufpassen. Bleiben
wir für immer Teil der Hegemonie von Ankh-Morpork? Befinden wir
uns nicht in einer einzigartigen Position, während wir das Ende des
Flughund-Jahrhunderts erreichen? Die Länder jenseits der Spitzhornber-
ge gewinnen an Bedeutung. Der Patrizier in Ankh-Morpork bezeichnet
sie als ›Werwolf-Ökonomien‹. Neue Mächte entstehen. Alte Länder blin-
zeln im Sonnenschein des kommenden Jahrtausends. Und natürlich
müssen wir mit al en Blöcken befreundet bleiben. Und so weiter. Trotz
einer turbulenten Vergangenheit ist Om ein friedliches Land.« Verence
zögerte kurz. »Ich meine, die Omnianer wären sicher friedlich, wenn sie
Lancre besser kennen würden. Es nützt uns sicher nichts, die Priester der
omnianischen Staatsreligion unfreundlich zu behandeln. Wir bereuen
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