Ruhig Blut!
es
bestimmt nicht, wenn wir sie bei uns willkommen heißen.«
»Hoffentlich nicht«, sagte Nanny und bedachte Verence mit einem
durchdringenden Blick. »Ich weiß noch, als du nur ein Mann mit einer
komischen Mütze warst.«
Selbst das funktionierte nicht. Verence seufzte und wandte sich der
Tür zu.
»Das bin ich noch immer, Nanny«, meinte er. »Allerdings ist meine
›Mütze‹ jetzt schwerer. Ich muß gehen, wenn unsere Gäste nicht warten
sol en. Ah, Shawn…«
Shawn Ogg war in der Tür erschienen und salutierte.
»Wie entwickelt sich das Heer, Shawn?«
»Ich bin fast mit dem Messer fertig, Herr.* Muß nur noch die Nasen-
* König Verence wußte natürlich: Selbst wenn er jeden Erwachsenen in Lancre
bewaffnete – das Heer wäre kaum der Rede wert gewesen. Deshalb suchte er
nach anderen Möglichkeiten, um das Königreich auf die militärische Landkarte zu bringen. Shawn war mit der Idee des lancrestianischen Heeresmessers gekommen, das einige wichtige Werkzeuge und Utensilien für den Soldaten im
Einsatz enthielt. Die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
dauerten nun schon einige Monate. Ein Grund für die langsamen Fortschritte
bestand darin, daß der König aktives Interesse am einzigen Verteidigungspro-
jekt des Landes zeigte, was bedeutete: Bis zu dreimal am Tag erhielt Shawn
kurze Mitteilungen mit Verbesserungsvorschlägen. Für gewöhnlich lauteten sie etwa so: »Ein Apparat, möglichst klein, um verlorene Dinge wiederzufinden.«
haarzpinzette und die zusammenklappbare Säge hinzufügen, Herr. Aber
eigentlich bin ich als Herold gekommen, Herr.«
»Oh, offenbar ist es an der Zeit.«
»Ja, Herr.«
»Diesmal sollte die Fanfare etwas kürzer sein, Shawn«, sagte der König.
»Ich persönlich weiß dein Geschick sehr zu schätzen, aber ich meine,
diese Gelegenheit verlangt etwas Einfacheres als einige Takte von ›Der
rosarote Igel-Jux‹.«
»Ja, Herr.«
»Na schön, gehen wir.«
Sie traten in den großen Flur, wo Magrats Gruppe vorbeikam, und der
König griff nach der Hand seiner Gemahlin.
Nanny Ogg folgte ihnen. In gewisser Weise hatte Verence recht. Sie
fühlte sich… ungewöhnlich, schlecht gelaunt und bissig, so als trüge sie
eine zu enge Weste. Nun, Oma traf bestimmt bald ein, und sie wußte,
wie man mit Königen redete.
Es erforderte eine besondere Methode, vermutete Nanny. Zum Bei-
spiel konnte man nicht einfach fragen: »Wer ist gestorben und hat dich
zum König gemacht?« Über solche Dinge wußten sie Bescheid. Eine weitere schwierige Frage lautete: »Du und welches Heer?« In diesem Fal
bestand das Heer aus Shawn und einem Troll, und es konnte wohl kaum
eine ernste Gefahr für Shawns eigene Mutter darstel en, wenn er seinen
Tee weiterhin daheim trinken wollte.
Sie zog Agnes beiseite, als die Prozession das obere Ende der breiten
Treppe erreichte. Shawn setzte den Weg fort.
»Von der Minnesängergalerie haben wir einen guten Blick«, flüsterte sie
und zog Agnes in den aus Eiche bestehenden Laufgang, als die königli-
che Fanfare erklang.
»Das ist mein Junge«, sagte Nanny stolz, als ein letzter Trompetenstoß
für Unruhe sorgte.
Oder: »Ein seltsam geformtes Haken-Ding, für viele Zwecke verwendbar.«
Shawn fügte einige von ihnen hinzu, doch die meisten »vergaß« er – andernfalls wäre das Ergebnis das einzige Taschenmesser auf Rädern gewesen.
»Ja, nicht viele königliche Fanfaren enden mit ›Rasieren und Haare
schneiden, Ohren frei‹«*, kommentierte Agnes.
»Aber die Leute fühlen sich wohl, wenn sie so etwas hören«, sagte
Shawns treue Mutter.
Agnes blickte in die Menge hinab und bemerkte wieder den Priester.
Er bahnte sich mühsam einen Weg durchs Gedränge.
»Ich habe ihn gefunden, Nanny«, sagte sie. »Er hat es mir nicht sehr
schwergemacht. Dort unten stellt er doch nichts an, oder?«
»Wo ist er?« Agnes zeigte in die entsprechende Richtung. Nanny starrte
einige Sekunden dorthin und wandte sich dann an die junge Hexe.
»Ich glaube, das Gewicht der Krone wirkt sich nachteilig auf Verences
Verstand aus. Vielleicht weiß er wirklich nicht, in welche Gefahr er das
Königreich bringt. Na, wenn Esme hier eintrifft, wird sie den Pfaffen
ordentlich durch die Mangel drehen.«
Die Gäste hatten inzwischen zu beiden Seiten des roten Teppichs, der
am unteren Ende der Treppe begann, Aufstel ung bezogen. Agnes sah
zum königlichen Paar, das unsicher an einer Stel e stand, wo die Leute es
nicht sehen konnten
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