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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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– offenbar wartete es auf den richtigen Augenblick,
    die Treppe hinunter zu können.
    Oma Wetterwachs meint, man schafft sich selbst den richtigen Augen-
    blick, dachte Agnes. Dies ist die königliche Familie. Magrat und Verence
    brauchen sich einfach nur zu präsentieren – ihr Erscheinen würde auto-
    matisch den richtigen Augenblick bestimmen. Sie machen es falsch.
    Einige Gäste aus Lancre blickten zur großen Doppeltür, die man für
    die offizielle Zeremonie geschlossen hatte. Später würde man sie wieder
    öffnen, für den fröhlicheren Teil des Festes, doch derzeit erweckten sie
    den Eindruck… als könnten sie gleich knarrend aufschwingen, um eine
    Gestalt zu zeigen, die sich vor dem draußen brennenden Feuer abzeich-
    nete.
    Agnes sah das Bild ganz deutlich.
    Die Lektionen, die Oma Wetterwachs ihr widerstrebend erteilt hatte,
    verfehlten ihre Wirkung nicht, fand Perdita.

    * So lautet das Motto der Gilde der Friseure und Chirurgen.
    Beim königlichen Gefolge entstand ein hastig geführtes Gespräch, und
    dann eilte Millie über die Treppe zu den Hexen.
    »Mag… die Königin fragt, ob Oma Wetterwachs kommt oder nicht«,
    keuchte sie.
    »Natürlich kommt sie«, erwiderte Nanny.
    »Al erdings, nun, der König wird ein wenig… nervös. Er meint, es
    stand U.A.W.G. auf der Einladung«, sagte Millie und mied Nannys Blick.
    »Oh, so komischen Worten schenken Hexen keine Beachtung«, meinte
    Nanny. »Sie kommen einfach.«
    Millie hob die Hand vor den Mund, hüstelte verlegen und sah zu
    Magrat, die mit wachsender Verzweiflung winkte.
    »Nun… äh… die Königin ist der Ansicht, daß wir nicht noch mehr
    Zeit verlieren sollten, und deshalb… äh… läßt sie fragen, ob du die Patin sein könntest, Frau Ogg?«
    Die Falten in Nannys Gesicht verdoppelten sich, als sie lächelte.
    »Weißt du was?« wandte sie sich an Millie. »Ich vertrete Oma, bis sie
    eintrifft, in Ordnung?«

    Erneut wanderte Oma Wetterwachs in der spartanischen Gräue ihrer
    Küche auf und ab. Gelegentlich sah sie auf den Boden. Unter der Tür
    war ziemlich viel Platz, und manchmal konnten Dinge überal hin geweht
    werden. Aber sie hatte schon ein dutzendmal gesucht, und inzwischen
    gab es im ganzen Land vermutlich keinen saubereren Boden. Außerdem
    war es ohnehin zu spät.
    Und dennoch… Überwald …*
    Sie ging noch einige Male auf und ab.
    »Der Schlag sol mich treffen, wenn ich ihnen eine solche Genugtuung
    gönne«, brummte sie.

    * Auf den wenigen Karten der Spitzhornberge stand der Name »Uberwald«,
    weil die Lancrestianer nichts von Akzentzeichen und noch weniger von Umlau-
    ten hielten. Sie wollten nicht zwei Punkte auf einem Buchstaben balancieren, wenn das Risiko bestand, daß sie herunterrollen und für falsche Interpunktion sorgten.
    Oma nahm in ihrem Schaukelstuhl Platz, stand so schnel wieder auf,
    daß der Stuhl fast umkippte, und setzte die unruhige Wanderung fort.
    »Ich meine, ich bin nie jemand gewesen, der sich in den Vordergrund
    stellt«, teilte sie der Luft mit. »Ich gehe nie dorthin, wo ich nicht will-
    kommen bin, das steht fest.«
    Sie beschloß, Tee zu kochen, griff mit zitternden Händen nach dem
    Kessel und ließ den Deckel des Zuckerschälchens fallen – er zerbrach.
    Licht fiel ihr in die Augen. Der Halbmond glühte über dem Rasen.
    »Und überhaupt ist es nicht so, daß ich keine anderen Dinge zu tun
    hätte«, sagte sie. »Kann nicht dauernd irgendwelche Feste besuchen…
    Hätte mich ohnehin nicht auf den Weg gemacht.«
    Einmal mehr stolzierte Oma durch die Küche und dachte: Wenn ich es
    gefunden hätte, wäre der Wattlich-Junge umsonst hierhergekommen.
    Dann hätte ich das Schloß aufgesucht, um mich dort zu vergnügen. Und
    dann wäre Herr Efeu jetzt allein…
    »Verflixt!«
    Das war das Schlimme daran, wenn man gut war – man konnte nicht
    damit aufhören.
    Sie landete wieder im Schaukelstuhl und wickelte sich den Schal um
    den Hals, um vor der Kälte geschützt zu sein. Das Feuer im Kamin war
    erloschen, denn sie hatte nicht damit gerechnet, an diesem Abend zu
    Hause zu sein.
    Schatten fül ten die Ecken des Zimmers, doch Oma verzichtete darauf,
    die Lampe anzuzünden. Die Kerze mußte genügen.
    Während sie schaukelte und zur Wand starrte, wurden die Schatten
    immer länger.

    Agnes folgte Nanny in den Saal. Vermutlich war das nicht vorgesehen,
    aber niemand wagte es, den Hut der Autorität aufzuhalten.
    In diesem Teil der Spitzhornberge gab es viele kleine Länder. Jedes
    Gletschertal,

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