Ruhig Blut!
lautet, und dann gibst du sie mir, und ich gebe sie ihrem Vater, und er trägt sie durch die Tür
nach draußen und zeigt sie dort den Leuten, und al e werfen den Hut
hoch und rufen ›Hurra!‹, und dann gibt’s ein großes Gedränge an der
Theke und bei den Appetithäppchen, die meiner Ansicht nach ein wenig
zu klein geraten sind, und dann versucht man, seinen Hut wiederzufin-
den. Wenn du anfängst, über Sünde zu faseln, bekommst du meinen
spitzen Stock zu spüren.«
»Worin besteht deine… ähm… Rolle, Verehrteste?«
»Ich bin die Patin!«
»Von welcher… ähm… Organisation?« Der junge Mann zitterte ein
wenig.
»Das ist ein alter lancrestianischer Ausdruck«, erklärte Agnes rasch. »Er
bezeichnet eine Person, die als Zeugin bei der Namensgebung eines
Kinds zugegen ist. Mit Organisationen oder Religionen hat das nichts zu
tun. Und selbst wenn: In religiösen Dingen sind wir Hexen sehr tole-
rant.«
»Das stimmt«, sagte Nanny Ogg. »Aber unsere Toleranz bezieht sich
nur auf die richtigen Religionen, und deshalb rate ich dir, sehr vorsichtig
zu sein.«
Das königliche Paar hatte die Throne erreicht. Magrat nahm Platz und
zwinkerte Agnes kurz zu, was die junge Hexe sehr überraschte.
Verence zwinkerte nicht. Er blieb stehen und hustete demonstrativ.
»Ähem.«
»Ich glaube, ich habe da irgendwo eine Tablette«, sagte Nanny und
machte Anstalten, in ihrem Schlüpferbein zu suchen.
»Ähem!« Verence blickte zu seinem Thron.
Was bisher wie ein graues Kissen ausgesehen hatte, rol te zur Seite,
gähnte, sah kurz zum König und begann sich zu putzen.
»Oh, Greebo«, sagte Nanny. »Ich habe mich schon gefragt, wo du
steckst…«
»Könntest du ihn bitte wegnehmen, Frau Ogg?« fragte der König.
Agnes sah zu Magrat. Die Königin hatte sich halb abgewandt, stützte
den El enbogen auf die Armlehne des Throns und hielt sich den Mund
zu. Ihre Schultern bebten.
Nanny nahm Greebo vom anderen Thron herunter. »Eine Katze darf
einen König ansehen«, sagte sie.
»Aber nicht mit einem solchen Gesichtsausdruck«, erwiderte Verence.
Er winkte den Gästen würdevoll zu, als es Mitternacht schlug.
»Du solltest jetzt besser anfangen«, forderte Verence den Priester auf.
»Ich… ähm… habe eine kleine Predigt vorbereitet, und dabei…
ähm… geht es um das Thema Hoffnung für…«, begann Hilbert Him-
melwärts, doch hinter ihm brummte Nanny. Der Omnianer zuckte
plötzlich zusammen, neigte sich ein wenig nach vorn und blinzelte. Sein
Adamsapfel hüpfte mehrmals auf und ab. »Aber ich fürchte, wir haben
keine Zeit dafür«, sagte er schnell.
Magrat beugte sich zur Seite und flüsterte ihrem Mann etwas ins Ohr.
Agnes hörte ihn antworten: »Nun, meine Liebe, ich schätze, wir haben
gar keine Wahl, ob sie nun hier ist oder nicht…«
Shawn eilte herbei, ein wenig außer Atem, und trug seine Perücke seit-
lich auf dem Kopf. Er hielt ein Kissen in den Händen. Auf dem alten
Samt ruhte der eiserne Schlüssel des Schlosses.
Millie Chillum reichte das Baby vorsichtig dem Priester, der es behut-
sam hielt.
Das königliche Paar gewann den Eindruck, daß der Omnianer plötz-
lich sehr stockend sprach. Die hinter ihm stehende Nanny Ogg zeigte ein
überzeugendes Interesse, das zu hundert Prozent gespielt war.
Der Priester sprach nicht nur seltsam, sondern schien auch an häufigen
kurzen Krämpfen zu leiden.
»… haben wir uns hier versammelt, um… uns zu versammeln und…«
»Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte der König und beugte sich vor.
»Es ging mir nie besser, das versichere ich dir, Herr«, erwiderte Him-
melwärts kummervoll. »Und hiermit gebe ich Euch, ich meine dir, den Namen…«
Es folgte eine schreckliche Pause.
Mit steinerner Miene reichte der Priester das Baby Millie. Dann nahm
er den Hut ab, zog einen Zettel aus dem Futter und las. Seine Lippen
bewegten sich mehrmals, als er die Worte leise wiederholte. Dann setzte
er den Hut wieder auf und nahm das Baby erneut entgegen.
Kleine Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
»Hiermit gebe ich dir den Namen… Esmerelda Margaret Auf Die
Richtige Schreibweise Achten von Lancre!«
Einige Sekunden herrschte schockierte Stille.
»Auf die richtige Schreibweise achten?« wiederholten Magrat und Agnes wie aus einem Mund.
»Esmerelda?« entfuhr es Nanny.
Das Baby öffnete die Augen.
Und die beiden Flügel der großen Doppeltür schwangen auf.
Eine Wahl treffen. Darum ging es immer. Man mußte eine
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