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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Wahl tref-
    fen…
    Zum Beispiel der Mann in Spackel, der die kleinen Kinder umgebracht
    hatte. Die Leute hatten sie gerufen, und ihr genügte ein Blick in sein
    Selbst, um die Schuld wie einen sich hin und her windenden roten Wurm
    zu erkennen. Und dann hatte sie die Leute zu seinem Bauernhof ge-
    bracht und ihnen die Stelle gezeigt, wo es zu graben galt, und er hatte
    sich vor ihr auf den Boden geworfen und sie um Gnade gebeten, dem
    Alkohol die Schuld gegeben…
    Sie erinnerte sich an ihre eigenen Worte. Ganz nüchtern hatte sie ge-
    sagt: Es soll mit Hanf enden.
    Und die Leute hatten den Mann fortgezerrt und mit einem Hanfseil
    gehängt, und sie hatte dabei zugesehen, denn soviel schuldete sie ihm,
    und er hatte sie verflucht, was sie als ungerecht empfand, denn Hängen
    war ein sauberer Tod, zumindest sauberer als das Ende, das er bei den
    Dorfbewohnern gefunden hätte, wenn sie mutig genug gewesen wären,
    sich ihr zu widersetzen, und sie hatte gesehen, wie der Schatten des To-
    des über ihn kam, und hinter Tod kamen kleinere, hel ere Gestalten, und
    dann…
    Der Schaukelstuhl knarrte in der Dunkelheit, als er sich ziemlich ener-
    gisch nach vorn und hinten neigte.
    Die Dorfbewohner hatten gesagt, der Gerechtigkeit sei Genüge getan
    worden, und dann hatte sie die Geduld verloren und sie aufgefordert,
    heimzukehren, zu den Göttern zu beten, an die sie glaubten, und sie zu
    bitten, daß ihnen nie ein solches Schicksal zuteil wurde. Die Selbstgefäl-
    ligkeit triumphierender Tugend konnte fast ebenso schlimm sein wie
    entblößte Verderbtheit.
    Sie schauderte bei der Erinnerung. Fast ebenso schlimm, aber eben
    nicht ganz.
    Erstaunlicherweise waren recht viele Dorfbewohner bei seiner Beerdi-
    gung erschienen, und hier und dort meinten leise Stimmen, eigentlich sei
    er gar kein so schlechter Kerl gewesen, und viel eicht hätte sie ihn gezwungen, die Tat zu gestehen, und daraufhin bedachte man sie mit fins-
    teren Blicken.
    Und wenn es doch Gerechtigkeit gab? Für jeden unbeachteten Bettler,
    für jedes scharfe Wort, für jede vernachlässigte Pflicht, für jeden Af-
    front… für jede getroffene Wahl. Denn darum ging es schließlich. Man
    mußte eine Wahl treffen, sich entscheiden. Man konnte recht haben oder
    sich irren, aber man mußte wählen, mit dem Wissen, daß Richtig oder Falsch vielleicht für immer verborgen blieben oder daß man sich zwischen zwei falschen Dingen entschied, daß es gar nichts Richtiges gab.
    Und immer, immer, blieb man dabei auf sich allein gestellt. Man stand am Rand, beobachtete und lauschte. Nie irgendwelche Tränen, nie eine Entschuldigung, nie Bedauern… Das al es sparte man für einen Zeitpunkt
    auf, an dem man es besser gebrauchen konnte.
    Sie hatte nie mit Nanny Ogg oder einer der anderen Hexen darüber ge-
    sprochen. Es hätte den Verrat des Geheimnisses bedeutet. Manchmal,
    spät am Abend, wenn das Gespräch auf Zehenspitzen in diese Richtung
    schlich, ließ Nanny Bemerkungen fal en wie: »Zum Schluß ging der alte
    Skriwwens ganz friedlich.« Viel eicht steckte mehr hinter solchen Wor-
    ten, vielleicht auch nicht. Nanny schien nicht sehr zu leiden, soweit sie
    das feststel en konnte. Für sie mußten einige offensichtliche Dinge erle-
    digt werden, und damit hatte es sich. In die Tiefe gehende Gedanken
    hielt sie so gut unter Kontrol e, daß nicht einmal sie selbst von ihnen
    berührt wurde. Oma beneidete sie um diese Fähigkeit.
    Wer würde zu ihrer Beerdigung kommen, wenn sie starb?
    Sie hatten sie nicht gefragt !
    Erinnerungen zitterten in ihr. Weitere Gestalten marschierten aus den
    Schatten, die den Kerzenschein umgaben.
    Sie hatte Dinge erledigt, ferne Orte besucht und immer neue, manch-
    mal sie selbst verblüffende Möglichkeiten gefunden, den eigenen Ärger
    nach außen zu richten. Sie war mit Leuten fertig geworden, die über
    mehr Macht verfügten als sie, sich jedoch für schwächer hielten – und
    nur darauf kam es an. Sie hatte viel aufgegeben, aber auch viel gelernt…
    Ein Zeichen. Früher oder später hatte es so kommen müssen… Sie hatten es begriffen, und jetzt nützte sie ihnen nichts mehr…
    Und ihr Lohn? Was war der Lohn für al die Mühen? Noch mehr Mü-
    he. Wer gute Gräben gräbt, bekommt eine größere Schaufel.
    Und kahle Wände, einen kalten Boden, eine kalte Hütte.
    Die Dunkelheit wuchs aus den Ecken ins Zimmer und verhedderte
    sich in ihrem Haar.
    Sie hatten sie nicht gefragt !
    Nie hatte sie um eine Gegenleistung gebeten. Und das war

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