Ruhig Blut!
das Prob-
lem: Wenn man nie um eine Gegenleistung bat, dann bekam man
manchmal auch keine.
Sie hatte immer versucht, ins Licht zu blicken. Aber je entschlossener man in die Helligkeit starrte, desto mehr brannte sie sich in einen hinein,
bis man schließlich der Versuchung erlag, sich umzudrehen und festzu-
stellen, wie lang der eigene Schatten geworden war, der sich dunkel und
fest hinter einem erstreckte…
Jemand nannte ihren Namen.
Dann folgte ein Augenblick aus Licht, Geräusch und Verwirrung.
Dann erwachte sie, bemerkte die hereinströmende Dunkelheit und sah
die Dinge schwarz und weiß.
»Wir bitten um Entschuldigung… Verzögerungen bei der Reise, ihr wißt
ja, wie das ist…«
Die Neuankömmlinge eilten in den Großen Saal, doch die übrigen
Gäste schenkten ihnen kaum Beachtung, weil sie zu sehr auf die uner-
wartete Unterhaltung bei den Thronen konzentriert waren.
» Auf die richtige Schreibweise achten ?«
»Das ist ein bißchen knifflig«, sagte Nanny. »Esmerelda – dagegen gibt
es nichts einzuwenden. Gytha wäre ebenfal s nicht schlecht gewesen,
aber Esmerelda… dagegen kann man keine Einwände erheben. Wie dem
auch sei: Ihr wißt ja, wie Kinder sind. Bestimmt nennt man sie ›Ortho-
graphie‹ oder so.«
»Wenn sie Glück hat«, erwiderte Agnes düster.
»Ich wol te nicht, daß es ausgesprochen wird!« zischte Magrat. »Ich wol te nur sichergehen, daß kein ›Magrat‹ daraus wird!«
Hilbert Himmelwärts stand mit gefalteten Händen und nach oben ge-
richtetem Blick. Er wimmerte leise.
»Wir können den Namen doch ändern, oder?« fragte König Verence.
»Wo ist der Königliche Historiker?«
Shawn hüstelte. »Es ist nicht Mittwochabend, Herr. Ich muß gehen
und den richtigen Hut holen, Herr…«
»Können wir ihn ändern oder nicht, Mann?«
»Äh… er ist verkündet worden, Herr. Zur offiziellen Zeit. Ich glaube, es ist jetzt ihr Name. Alle haben ihn gehört, Herr.«
»Nein, man kann ihn jetzt nicht mehr ändern«, sagte Nanny. Als Mut-
ter des Königlichen Historikers ging sie automatisch davon aus, daß sie
mehr wußte als der Königliche Historiker. »Denkt nur an den alten
Muhkuh Kükenarm drüben in Schnitte.«
»Was ist mit ihm passiert?« fragte der König scharf.
»Sein vol er Name lautet Was Zum Teufel Macht Die Kuh Hier Drin
Kükenarm«, erklärte Magrat.
»Das war ein sehr seltsamer Tag, ich erinnere mich daran«, sagte Nan-
ny.
»Und wenn meine Mutter vernünftig genug gewesen wäre, Pater Per-
dore meinen Namen zu nennen, anstatt ihn schüchtern aufzuschreiben,
wäre mein Leben ganz anders verlaufen«, ließ sich Magrat vernehmen.
Sie bedachte Verence mit einem nervösen Blick. »Sicher viel schlechter.«
»Ich muß Esmerelda also allen Leuten zeigen und darauf hinweisen,
daß sie unter anderem ›auf die richtige Schreibweise achten‹ heißt?« frag-
te Verence.
»Nun, wir hatten einmal einen König namens Mein Gott Ist Er Schwer
der Erste«, sagte Nanny. »Außerdem wird seit zwei Stunden Bier ausge-
schenkt, was bedeutet, daß man dir in jedem Fal zujubeln wird.«
Außerdem gibt es dort draußen Leute, die Syphilitisch Sauermann, Jod-
ler Leise und Totaler Keks heißen, dachte Agnes.*
Verence lächelte. »Na schön. Gebt sie mir…«
»Whifm…«, sagte Hilbert Himmelwärts.
»… und jemand sol te diesem Mann etwas zu trinken geben.«
»Es tut mir schrecklich, schrecklich leid«, flüsterte der Priester, als der
König an den Gästen vorbeischritt.
»Ich schätze, er hat sich schon was hinter die Binde gekippt«, meinte
Nanny.
»Ich rühre nie Alkohol an!« stöhnte der Priester und betupfte sich mit
einem Taschentuch die tränenden Augen.
»Als ich dich zum erstenmal sah, wußte ich sofort, daß mit dir etwas
nicht stimmt«, sagte Nanny. »Wo ist Esme?«
»Ich weiß es nicht, Nanny!« erwiderte Agnes.
»Es wird bestimmt nicht lange dauern, bis sie davon erfährt. Eine nach
ihr benannte Prinzessin ist ein großes Ruhmesblatt für sie, sie wird be-
stimmt über Monate hinweg damit angeben. Ich sehe nach, was los ist.«
Sie stapfte davon.
Agnes griff nach dem Arm des Priesters.
* Der Grund war: Lancrestianer begegneten Namen mit einer ebenso frischen
wie phantasievollen Einstel ung. Normalerweise entschieden sie sich einfach für ein Geräusch, das ihnen gefiel. Manchmal steckte sogar Logik dahinter, wenn
auch nur zufällig. Es gäbe heute eine eher unglückliche Chlamydia Weber,
wenn ihre Mutter nicht zu
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