Ruhig Blut!
wäre, wür-de ich dafür sorgen, daß sie wenigstens ab und zu den Eyeliner be-
nutzt…«
»Ja, aber niemand trinkt Wein «, betonte Lacrimosa. »Nur wirklich verrückte Typen, die ihre Zähne stumpf schleifen, trinken Wein…«
»Zum Beispiel Maladora Krvoijac«, sagte Vlad. »Beziehungsweise
›Frieda‹, wie sie jetzt heißt…«
»Nein, das stimmt nicht!«
»Ach? Sie trägt einen silbernen Korkenzieher an einer Halskette, und
manchmal steckt sogar ein Korken daran!«
»Das ist doch nur ein Mode-Accessoire! Oh, sicher, sie behauptet, daß sie gern einen Tropfen Portwein trinkt, aber in Wirklichkeit enthält ihr
Glas nur Blut. Henry hat einmal eine Flasche zu einer Party mitgebracht,
und allein der Geruch ließ sie in Ohnmacht fallen.«
»Henry?« fragte die Gräfin.
Lacrimosa senkte mürrisch den Blick. »Graven Gierachi«, sagte sie.
»Der Bursche mit dem kurzen Haar, der vorgibt, Buchhalter zu sein«,
erläuterte Vlad.
»Ich hoffe nur, daß jemand seinem Vater davon erzählt hat«, sagte die
Gräfin.
»Hört auf damit«, warf der Graf ein. »Es ist alles nur kulturelle Konditionierung, versteht ihr? Bitte! Ich habe hart dafür gearbeitet! Wir wol en
doch nur ein Stück vom Tag. Ist das zuviel verlangt? Und Wein ist ein-
fach nur Wein. Er hat nichts Mystisches. Nehmt jetzt eure Gläser. Auch
du, Lacci. Bitte! Für deinen Vater!«
»›Cyril‹ und ›Tim‹ sind sicher sehr beeindruckt, wenn du ihnen davon
erzählst«, sagte Vlad.
»Sei still!« zischte Lacrimosa. »Vater, bestimmt wird mir schlecht da-
von!«
»Nein, dein Körper wird sich anpassen«, entgegnete der Graf. »Ich
hab’s selbst versucht. Wein ist ein wenig wäßrig, vielleicht auch bitter,
ansonsten aber recht schmackhaft. Bitte?«
»Na schön…«
»Gut«, sagte der Graf. »Hebt nun eure Gläser…«
»Le sang nouveau est arrivé«, verkündete Vlad.
»Carpe diem«, sagte der Graf.
»An die Kehle«, sagte die Gräfin.
»Niemand wird mir glauben, wenn ich davon erzähle«, brummte Lac-
rimosa.
Sie tranken.
»Na bitte«, meinte Graf Elstyr. »Es war doch gar nicht so schlimm, o-
der?«
»Ein bißchen kühl«, kommentierte Vlad.
»Ich lasse einen Weinwärmer installieren«, versprach der Graf. »Im-
merhin bin ich kein unvernünftiger Vampir. Ich glaube fest daran, daß
ich uns innerhalb eines Jahres von der Phenophobie heilen kann, und
vielleicht sind wir dann sogar imstande, einen leichten Salat zu essen…«
Lacrimosa kehrte ihrem Vater demonstrativ den Rücken zu, beugte
sich über eine Vase und gab würgende Geräusche von sich.
»… und dann bist du frei, Lacci. Keine einsamen Tage mehr. Keine…«
Vlad hatte halb damit gerechnet und verzog nicht das Gesicht, als sein
Vater blitzschnel eine Karte hervorholte und sie ihnen zeigte.
»Das doppelte Schlangensymbol des djelibebischen Wasserkults«, sagte
er ruhig.
»Na bitte!« rief der Graf aufgeregt. »Du bist nicht einmal zusammenge-
zuckt! Man kann die Furcht vor heiligen Gegenständen überwinden! Ich war immer davon überzeugt! Manchmal mag es recht schwer gewesen
sein…«
»Ich habe es verabscheut, wie du uns in den Fluren angesprungen hast, um uns mit Weihwasser zu bespritzen«, sagte Lacrimosa.
»Eigentlich war es gar nicht mehr richtig heilig«, erwiderte der Graf.
»Ich hab’s immer stark verdünnt. Es blieb höchstens ein wenig fromm.
Aber es hat euch stark werden lassen.«
»Ich weiß nun, daß ich mich damals oft erkältet habe.«
Die Hand des Grafen zuckte aus der Tasche.
Lacrimosa seufzte müde. »Das Allessehende Gesicht der Ionianer«,
sagte sie.
Der Graf tanzte fast.
»Siehst du? Es hat geklappt! Du hattest keine Angst! Und dies gilt als
ein sehr starkes religiöses Symbol. Ist es nicht die Mühe wert?«
»Und was bekommen wir für die mit Knoblauch gestopften Kissen,
auf denen wir schlafen mußten?« fragte Lacrimosa.
Ihr Vater ergriff sie an den Schultern und drehte sie zum Fenster.
»Genügt es dir zu wissen, daß die Welt deine Auster sein wird?«
Das Mädchen runzelte verwirrt die Stirn. »Warum sol te sie irgendein
kleines Geschöpf aus dem Meer für mich sein?«
»Austern werden lebend verspeist«, erklärte der Graf. »Leider bezweifle
ich, daß wir irgendwo eine fünfhundert Meilen lange Zitronenscheibe
finden können, aber das sol te als Metapher genügen.«
Lacrimosas Miene erhellte sich widerwillig. »Oh, wenn das so ist…«
»Gut«, sagte der Graf. »Es freut mich, mein kleines Mädchen
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