Ruhig Blut!
fiel.
Perdita öffnete die Augen. Sie stand im Bach.
»Verdammt!« Agnes hätte nie »verdammt« gesagt, und gerade deshalb
nutzte Perdita jede Gelegenheit dazu.
Sie griff nach der Steinplatte direkt über ihr und zog sich hoch. Dann
bemerkte sie Nanny Oggs Gesichtsausdruck, veränderte die Position der
Hände und schwang die Beine nach oben.
Die dumme Agnes hat nie begriffen, wie kräftig sie ist, dachte Perdita.
So viele Muskeln, und sie fürchtet sich davor, sie zu gebrauchen…
Sie streckte sich ein wenig, bis ihre Zehen zum Himmel zeigten und sie
einen Handstand direkt am Rand der Steinplatte machte. Der Umstand,
daß ihr Rock nach unten sank, störte den Effekt ein wenig.
»Du hast noch immer den Riß im Schlüpfer«, sagte Nanny scharf.
Von einem Augenblick zum anderen stand Perdita.
Magrat hatte die Augen zusammengekniffen. »Hat sie tatsächlich einen
Handstand an der Kante gemacht?«
»Ja«, bestätigte Nanny. »Und nun, A… Perdita, hör mit der Angeberei
auf, wir haben bereits zuviel Zeit vergeudet. Gib Agnes den Körper zu-
rück, du weißt ja, daß er ihr gehört.«
Perdita schlug ein Rad. »Er ist an sie verschwendet. Und du sol test mal
sehen, was sie ißt! Und weißt du eigentlich, daß sie noch immer zwei
Regale vol er Plüschtiere hat? Und Puppen? Und dann fragt sie sich,
warum sie nicht mit Jungen zurechtkommt!«
»Ein starrender Teddybär kann einen jungen Mann tatsächlich aus dem
Konzept bringen«, sagte Nanny Ogg. »Erinnerst du dich an die alte Frau
Ärmel, Magrat? Zwei von uns mußten ihr beispringen, wenn sie einen
ihrer komischen Anfäl e hatte.«
»Was hat das mit Spielzeug zu tun?« fragte Perdita argwöhnisch.
»Und was… Oh, ja«, sagte Magrat.
»Und dann der alte Glöckner in Ohulan«, fuhr Nanny fort und ging
voran. »Hatte nicht weniger als sieben Persönlichkeiten in seinem Kopf.
Drei von ihnen waren Frauen, die anderen Männer. Armer Kerl. Er
nannte sich selbst das fünfte Rad am Wagen. Er meinte, die anderen
überließen ihm die Arbeit, das Atmen und Essen, während sie den gan-
zen Spaß hatten. Weißt du noch? Er meinte, es sei gräßlich, wenn er sich
einen guten Tropfen genehmigte – was alle anderen dazu veranlaßte, um
einen Platz bei den Geschmacksknospen zu kämpfen. Manchmal
herrschte hinter seiner Stirn ein solcher Lärm, daß er sich gar nicht mehr
denken hörte… Jetzt !«
Agnes öffnete die Augen. Ihr Kinn schmerzte.
Nanny Ogg musterte sie mißtrauisch, während sie sich das Gefühl in
die rechte Hand zurückrieb. Aus einer Entfernung von wenigen Zenti-
metern betrachtet, wirkte ihr Gesicht wie ein Stapel älterer Wäsche.
»Ja, das ist Agnes«, stellte sie fest und richtete sich auf. »Bei der ande-
ren werden die Züge ein wenig schärfer. Na bitte! Ich habe ja gesagt, daß
sie zu sich kommen würde. Weil sie mehr Übung hat.«
Magrat ließ ihre Arme los. Agnes rieb sich das Kinn.
»Das tat weh«, sagte sie vorwurfsvoll.
»Es war trotzdem gut gemeint«, erwiderte Nanny. »Unter den gegen-
wärtigen Umständen können wir nicht zulassen, daß Perdita freie Bahn
hat.«
»Du hast nach der Brücke gegriffen und dich einfach so hochgezogen«, sagte Magrat.
»Ich habe gespürt, wie sie auf festem Boden stand!« entgegnete Agnes.
»Nun, das liegt hinter uns«, sagte Nanny. »Kommt. Es ist jetzt nicht
mehr weit. Hoffe ich. Und ich schlage vor, wir lassen es ruhiger angehen.
Manche von uns könnten tiefer fal en als andere.«
Ganz vorsichtig gingen sie weiter, während zwischen Agnes’ Schläfen
eine beharrliche Stimme darauf hinwies, daß sie ein dummer Feigling war
und natürlich nicht verletzt werden konnte. Sie versuchte, nicht darauf zu achten.
Agnes erinnerte sich an Höhlen, die eigentlich nur aus Felsüberhängen
bestanden. Dies waren Höhlen. Der Unterschied bestand vor al em aus felsiger und poetischer Größe. In diesem Fal mangelt es ihnen weder an
dem einen noch an dem anderen.
»Knotiges Land ist wie ein Eisberg«, erklärte Nanny und führte ihre
beiden Begleiterinnen durch eine Rinne zur größten Höhle.
»Neun Zehntel liegen unter Wasser?« fragte Agnes. Ihr Kinn schmerzte
noch immer.
»Es steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick erkennt.«
»Dort sitzt jemand!« entfuhr es Magrat.
»Oh, das ist die Hexe«, meinte Nanny. »Sie stellt kein Problem dar.«
Das Licht vom Zugang der Höhle fiel auf eine vornübergeneigte Ges-
talt, die an einigen Pfützen saß. Aus der Nähe
Weitere Kostenlose Bücher