Ruhig Blut!
gesucht, aber
hier können sie nicht klar sehen. Der beste von ihnen hätte mich fast bei
meiner Hütte erwischt. Bei meiner Hütte !«
Nanny Ogg verstand das Entsetzen. Die Hütte einer Hexe war ihre
Festung.
»Ich habe so etwas noch nie zuvor gespürt, Gytha. Er hatte Hunderte
von Jahren Zeit, gut zu werden. Hast du die Elstern bemerkt? Er benutzt
sie als Augen. Und er ist schlau. Auf ein Knoblauchbrot oder etwas in
der Art fäl t er bestimmt nicht herein, das steht fest. Die Vampire in
Lancre haben gelernt. So etwas ist zum erstenmal geschehen. Sie haben nirgends eine schwache Stel e, wo ich ansetzen könnte. Sie sind mächtiger, stärker, denken schnel er… Eine geistige Konfrontation mit ihnen
ist ebenso sinnlos wie der Versuch, einen Sturm aufzuhalten, indem man
nach ihm spuckt.«
»Was hast du vor?«
»Nichts! Ich kann nichts unternehmen! Verstehst du denn nicht? Den
ganzen Tag habe ich hier gelegen und versucht, mir etwas einfal en zu
lassen. Sie kennen sich mit Magie aus. Borgen ist praktisch ihre zweite
Natur. Sie sind schnell und halten uns für Vieh, das sprechen kann…
Das habe ich nie erwartet, Gytha. Stundenlang habe ich nach einer Lö-
sung gesucht – ohne eine zu finden.«
»Es gibt immer einen Weg«, sagte Nanny.
»Diesmal sehe ich keinen«, erwiderte Oma. »Das wär’s, Gytha. Ich
kann hier genausogut liegenblieben und Wasser auf mich herabtropfen
lassen, bis ich mich in Stein verwandle, wie die Hexe am Eingang.«
»Du findest bestimmt einen Weg«, sagte Nanny. »Wetterwachse geben
nie auf. Es liegt ihnen im Blut – das habe ich schon immer gesagt.«
»Ich bin besiegt, Gytha. Noch bevor der Kampf begonnen hat. Viel-
leicht kann jemand anders einen Weg finden, aber ich bin nicht dazu
fähig. Ich sehe mich hier einem Geist gegenüber, der stärker ist als mei-
ner. Ich kann ihn nur von mir fernhalten, aber nicht in ihn vorstoßen.
Mit anderen Worten. Ich kann nicht gegen ihn kämpfen .«
Nanny Ogg fröstelte, als sie begriff, daß Oma es tatsächlich ernst mein-
te.
»Ich hätte nie gedacht, so etwas von dir zu hören«, murmelte sie.
»Geh jetzt. Setzt das Baby nicht länger der Kälte aus.«
»Und was willst du jetzt tun?«
»Vielleicht sollte ich den Weg fortsetzen. Oder ich bleibe einfach hier.«
»Du kannst nicht für immer hierbleiben, Esme.«
»Frag die Hexe am Eingang.«
Und damit schien al es gesagt zu sein. Nanny kehrte zu den anderen
zurück, die ein wenig verlegen in der nächsten Höhle warteten, und führ-
te sie nach draußen an die frische Luft.
»Hast du deine Pfeife wiedergefunden?« fragte Magrat.
»Ja, danke.«
»Was hat sie vor?« erkundigte sich Agnes.
»Solche Fragen erübrigen sich«, erwiderte Nanny. »Ich weiß, daß ihr
gelauscht habt. Ihr wärt keine richtigen Hexen, wenn ihr nicht irgendwie
gelauscht hättet.«
»Nun, können wir etwas vol bringen, wozu Oma nicht imstande ist?
Wenn sie geschlagen ist, so sind wir es ebenfalls, oder?«
»Was meinte Oma mit ›von kann bis kann nicht‹?« fragte Magrat.
»Oh, vom ersten Augenblick am Morgen, wenn man sehen kann, bis
zum letzten Moment am Abend, wenn man nicht mehr sehen kann«,
erklärte Nanny.
»Sie ist wirklich sehr deprimiert, nicht wahr?«
Nanny zögerte bei der steinernen Hexe. Ihre Pfeife war ausgegangen,
und sie riß an der krummen Nase ein Streichholz an.
»Wir sind zu dritt«, sagte sie. »Drei ist genau die richtige Zahl. Wir
werden einen Hexensabbat abhalten…«
»Bist du denn gar nicht besorgt ?« fragte Agnes. »Oma… gibt auf…«
»Dann ist es unsere Aufgabe weiterzumachen«, erwiderte Nanny.
Nanny hatte den Kessel in der Mitte des Zimmers aufgestellt, damit alles
richtig aussah, obwohl sich ein Hexensabbat im Innern eines Hauses
keineswegs richtig anfühlte. Die Abwesenheit von Oma Wetterwachs
machte al es noch schlimmer.
Perdita fand, daß sie wie dumme Mädchen wirkten, die Hexen spielten.
Das einzige Feuer im Zimmer brannte in dem nagelneuen großen
schwarzen Eisenherd, den Nanny unlängst von ihren liebenden Söhnen
geschenkt bekommen hatte. Darauf stand ein kleinerer Kessel, in dem es
brodelte.
»Ich koche Tee, in Ordnung?« Magrat stand auf.
»Nein, setz dich«, sagte Nanny. »Es ist Agnes’ Aufgabe, den Tee zu ko-
chen. Du bist die Mutter, und deshalb schenkst du den Tee ein.«
»Und was machst du, Nanny?« fragte Agnes.
»Ich trinke den Tee«, erwiderte Nanny Ogg sofort. »In Ordnung. Wir
müssen mehr herausfinden,
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