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Ruhig Blut!

Ruhig Blut!

Titel: Ruhig Blut! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Herr?«
    »Du verteilst schon wieder Staub.«
    »Ja, Herr.«
    »Und warum verteilst du Staub, Igor?« fragte Vlad mit eisiger Stimme.
    »Weil Ftaub einfach dafugehört, Herr. Die Tradifion verlangt ihn…«
    »Igor, Mutter hat es dir doch gesagt: Wir wollen keinen Staub. Wir wollen keine riesigen Kerzenhalter. Wir wollen nicht, daß Gucklöcher in al e Gemälde geschnitten werden. Und von deinem verdammten Spinnen-kasten und der dummen Peitsche halten wir erst recht nichts!«
    In der folgenden, rotglühenden Stille starrte Igor zu Boden.
    »Die Leute erwarten ordentliche Fpinnweben, Herr…«, murmelte er.
    »Wir wollen sie nicht!«
    »Der alte Graf mochte meine Fpinnweben…«, brummte Igor, und seine
    Stimme klang wie die eines kleinen Insekts, das sich nicht zerquetschen
    lassen wollte.
    »Es ist lächerlich, Igor!«
    »Er fagte immer: ›Heute find die Fpinnweben befonderf gut, Igor…‹«
    »Ach, verschwinde einfach. Du sol test versuchen, den Gestank bei der Garderobe zu beseitigen. Mutter meint, er treibt ihr die Tränen in die
    Augen. Und halt den Rücken gerade und geh richtig!« rief Vlad ihm
    nach. »Dein Humpeln beeindruckt niemanden!«
    Agnes beobachtete, wie der vornübergebeugt schlurfende Diener zö-
    gerte, und sie rechnete mit einer Antwort. Doch dann hinkte er einfach
    weiter.
    »Er ist wie ein kleines Kind«, sagte Vlad und schüttelte den Kopf. »Ich
    bedauere, daß du das mit ansehen mußtest.«
    »Ja, ich glaube, ich bedauere es ebenfal s«, erwiderte Agnes.
    »Wir werden ihn durch jemand anderen ersetzen. Vater behält ihn nur
    aus reiner Anteilnahme. Wir haben ihn mit dem alten Schloß übernom-
    men, zusammen mit einem knarrenden Dach und einem seltsamen Ge-
    ruch auf halbem Wege die Haupttreppe empor. Ich muß allerdings hin-
    zufügen, daß er nicht so schlimm ist wie der, dem wir hier begegnet sind.
    Meine Güte… Sieh nur. Wir passen fünf Minuten lang nicht auf, und
    schon ist es passiert…«
    Eine große und stark tropfende Kerze brannte in einem hohen
    schwarzen Kerzenhalter.
    »König Verence ließ überall Öl ampen aufstellen, die für gutes, moder-
    nes Licht sorgen, und Igor hat sie durch Kerzen ersetzt! Wir wissen nicht
    einmal, wo er sie auftreibt. Lacci glaubt, daß er sie aus seinem Ohren-
    schmalz anfertigt…«
    Sie erreichten den langen Raum neben dem Großen Saal. Vlad hob den
    Kerzenständer, und das Licht der Flamme glitt über die Wand.
    »Ah, die Bilder sind bereits aufgehängt. Hier hast du Gelegenheit, die
    Familie kennenzulernen…«
    Im Schein der Kerze sah Agnes das Porträt eines hochgewachsenen,
    hageren, grauhaarigen Mannes, der einen Abendanzug sowie einen Man-
    tel mit rotem Futter trug. Er wirkte sehr distinguiert, auf eine reservierte, unnahbare Art. An der Unterlippe deutete sich ein ungewöhnlich langer
    Eckzahn an.
    »Mein Großonkel«, sagte Vlad. »Der letzte… Amtsinhaber.«
    »Was hat es mit seiner Schärpe und dem Stern auf sich?« fragte Agnes.
    Sie hörte die Geräusche der »wütenden Menge« – sie kamen aus der Fer-
    ne, wurden aber lauter.
    »Das sind Zeichen für den Orden von Gvot. Er hat das Schloß unserer
    Familie erbaut. Wir nennen es Bleibtdemschloßfern. Hast du davon ge-
    hört?«
    »Ein sonderbarer Name.«
    »Oh, er lachte immer darüber. Die einheimischen Kutscher warnten
    Reisende immer mit dem Hinweis: ›Bleibt dem Schloß fern.‹ Manchmal
    fügten sie hinzu: ›Selbst wenn es bedeutet, die Nacht in einem Baum zu
    verbringen – bleibt dem Schloß fern.‹ Mein Großonkel meinte immer,
    das sei großartige Publicity. Manchmal waren schon um neun Uhr a-
    bends al e Schlafzimmer belegt, und weitere Leute hämmerten an die
    Tür. Reisende machten meilenweite Umwege, um mehr über das Schloß
    zu erfahren, dem man unbedingt fernbleiben sol te. Jemanden wie mei-
    nen Großonkel gibt es nicht noch einmal, mit etwas Glück. Er ging sehr
    auf die Vorstel ungen der Leute ein. Er kehrte so oft aus dem Grab zu-
    rück, daß er seinen Sarg mit einem drehbaren Deckel ausstatten ließ.
    Ah… Tante Carmilla…«
    Agnes sah eine sehr ernste Frau in einem figurbetonten schwarzen
    Kleid und mit pflaumenfarbenem Lippenstift.
    »Sie soll im Blut von bis zu zweihundert Jungfrauen gebadet haben«,
    sagte Vlad. »Ich glaube nicht daran. Wenn man mehr als achtzig Jung-
    frauen benutzt, läuft selbst eine sehr große Badewanne über. Das weiß
    ich von Lacrimosa.«
    »Diese kleinen Details sind sehr wichtig«, erwiderte Agnes, die eine

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