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Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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suchen uns ein Bett«, antwortete er.
    »Ich habe nicht vor, mit dir zu schlafen.« Der Rausch seines Kusses ebbte langsam ab und es war wieder genauso wie bei unserer ersten Begegnung. Warum ließ ich ihn so nah an mich ran? Was war denn los mit mir? Ich stand auf, nahm meine Jacke vom Waschbeckenrand und zog sie wieder an. Plötzlich hatte ich schreckliche Angst, Sam würde irgendwie wissen, dass wir uns geküsst hatten.
    »Und wieder hab ich das Gefühl, ich bin ein schlechter Küsser«, sagte Cole.
    »Ich muss nach Hause«, erklärte ich. »Ich muss morgen – oder vielmehr heute – in die Schule. Und ich muss zu Hause sein, bevor mein Vater zur Arbeit losfährt.«
    »Ein grottenschlechter Küsser.«
    »Sag einfach brav Danke für deine Finger und Zehen.« Meine Hand lag schon auf dem Türknauf. »Und dabei belassen wir’s.«
    Cole hätte mich eigentlich ansehen müssen, als wäre ich komplett durchgedreht, aber er sah mich einfach nur an. Als würde er gar nicht kapieren, dass ich ihm gerade einen Korb gab.
    »Danke für meine Finger und Zehen«, sagte er.
    Ich schloss die Badezimmertür hinter mir und verließ das Haus, ohne mich von Sam zu verabschieden. Erst auf halbem Weg nach Hause fiel mir wieder ein, wie Cole zu mir gesagt hatte, dass er sich verlieren wollte. Irgendwie ging es mir besser bei dem Gedanken daran, dass der Typ völlig verkorkst war.

KAPITEL 17
COLE
    Ich erwachte als Mensch, aber das Bettzeug war zerwühlt und roch nach Wolf.
    Nachdem Isabel in der Nacht zuvor gegangen war, hatte Sam mich, vorbei an einem Stapel Laken, die offensichtlich gerade von einem Bett gerissen worden waren, in ein Zimmer im Erdgeschoss geführt. Der ganze Raum war dermaßen gelb, dass man das Gefühl hatte, die Sonne hätte einmal kräftig über die Wände gekotzt und sich danach an Vorhängen und Kommode den Mund abgewischt. Aber in der Mitte des Zimmers stand ein frisch gemachtes Bett und das war in dem Augenblick alles, was für mich zählte.
    »Gute Nacht«, sagte Sam kühl, aber nicht unfreundlich.
    Ich antwortete nicht. Ich war direkt unter die Decke gekrochen und schon halb weggetreten. Die restliche Nacht schlief ich wie ein Toter, völlig traumlos.
    Jetzt blinzelte ich in die Morgensonne, ließ das Bett ungemacht und tappte ins Wohnzimmer, das bei Tageslicht vollkommen anders aussah. Das ganze Rot und die Karos leuchteten in der Sonne, die durch die Fensterfront hinter mir hereinschien. Es sah gemütlich aus. Völlig anders als die kalte, neugotische Perfektion bei Isabel zu Hause.
    In der Küche hingen Fotos kreuz und quer an den Schränken, ein einziger Wust aus Tesafilm, Heftzwecken und lachenden Gesichtern. Ich erkannte sofort Beck auf Dutzenden von ihnen, dann Sam, aus dessen Fotos man ein Daumenkino hätte machen können, so wie er von einem Bild zum nächsten älter wurde. Isabel sah ich nirgends.
    Die meisten Gesichter lächelten; sie wirkten glücklich und zufrieden, als machten diese Leute einfach das Beste aus ihrem sonderbaren Leben. Es gab Fotos von Grillpartys, Kanutouren und gemeinsamem Gitarrespielen, doch mir fiel gleich auf, dass all das entweder in diesem Haus oder in der unmittelbaren Umgebung von Mercy Falls stattfand. Es schien, als würden all diese Fotos zwei Botschaften verkünden: Wir sind eine Familie und Du bist ein Gefangener.
    Du hast es dir selbst so ausgesucht, rief ich mir in Erinnerung. In Wahrheit aber hatte ich gar nicht besonders gründlich über die Zeit nachgedacht, in der ich kein Wolf sein würde. Eigentlich hatte ich über nichts besonders gründlich nachgedacht.
    »Was machen deine Finger?«
    Meine Muskeln spannten sich einen winzigen Augenblick lang an, bevor ich Sams Stimme erkannte. Ich drehte mich um und sah, dass er in dem breiten Durchgang zum Wohnzimmer stand, in der Hand eine Tasse Tee. Das Licht von hinten zeichnete einen leuchtend hellen Umriss um seine Schultern. Unter seinen Augen lagen Schatten, die zu gleichen Teilen Schlafentzug und sein Misstrauen mir gegenüber verrieten.
    Es war ein seltsames und doch überraschend befreiendes Gefühl, dass jemand mir so kritisch begegnete.
    Als Antwort auf seine Frage hob ich die Hände neben mein Gesicht und wackelte mit den Fingern, eine Geste, die affektierter wirkte, als ich beabsichtigt hatte.
    Sams verstörend gelbe Augen – an diese Farbe würde ich mich nie gewöhnen – lagen weiterhin auf mir und ich konnte darin sehen, wie er mit sich rang. Schließlich sagte er mit ausdrucksloser Stimme: »Es gibt

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