Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ruht das Licht

Ruht das Licht

Titel: Ruht das Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
schien.
    »Pizza!«, rief ihre Mutter, ihre Stimme eine Idee zu fröhlich, und alles, was Grace und ich einander noch hätten erzählen können, blieb ungesagt.
GRACE
    Die Pizza kam und Isabel gab Mom ein Stück ab – was ich nicht getan hätte. Mom zog sich daraufhin in ihr Atelier zurück, sodass wir das Wohnzimmer für uns hatten. Der Himmel hinter der Glastür zur Veranda war mittlerweile schwarz und es war unmöglich zu sagen, ob es erst sieben Uhr oder schon Mitternacht war. Ich saß an einem Ende des Sofas und von dem Teller auf meinem Schoß starrte mich ein einzelnes Stück Pizza an. Isabel saß am anderen Ende und hatte zwei Stücke auf ihrem Teller. Sie tupfte die Pizza sorgfältig mit einem Papiertuch ab, ganz vorsichtig um die Pilze herum. Im Fernseher, der eingeschaltet war, lief Pretty Woman und Julia Roberts kaufte gerade in exklusiven Boutiquen ein, in denen sich auch Isabel ganz wunderbar gemacht hätte. Die Pizza lag in ihrer Schachtel auf dem Couchtisch zwischen uns und dem Fernseher. Sie war so dick belegt, wie ich es noch nie gesehen hatte.
    »Iss, Grace«, kommandierte Isabel und hielt mir die Rolle Papiertücher hin.
    Ich sah auf die Pizza hinunter und versuchte, sie mir als Essen vorzustellen. Es war erstaunlich, wie schnell ein Stück Champignon-Käse-Pizza mit fettigen Mozzarellafäden das schaffte, was ein Spaziergang im Wald nicht vermocht hatte: Mir wurde speiübel. Während ich auf den Teller starrte, bäumte sich mein Magen in mir auf, aber es war mehr als nur Übelkeit. Es war dasselbe, was mir schon vorher zu schaffen gemacht hatte: Fieber, das kein Fieber war. Die Krankheit, die mehr war als bloß Kopfschmerzen oder Bauchkrämpfe. Die Krankheit, die ich selbst war.
    Isabel sah mich an und ich wusste, was sie mich gleich fragen würde. Aber ich traute mich nicht, den Mund aufzumachen. Das unbestimmte Etwas, das ich schon im Wald gespürt hatte, nagte jetzt an meinem Magen und ich hatte Angst vor dem, was ich sagen würde, wenn ich es versuchte.
    Die Pizza stand vor mir und sah aus wie etwas, was ich nie und nimmer hinunterbekommen würde.
    Ich fühlte mich so viel verletzlicher als noch vor ein paar Stunden im Wald bei den Wölfen. Ich wollte jetzt nicht Isabel bei mir haben. Auch nicht Mom. Ich wollte Sam.
ISABEL
    Grace’ Gesicht war grau. Sie starrte auf ihren Teller, als fürchtete sie, dass die Pizza ihr jeden Moment ins Gesicht springen würde. Dann drückte sie sich die Hand auf den Bauch und sagte: »Bin gleich wieder da.«
    Fast wie in Trance stand sie vom Sofa auf und ging in die Küche. Als sie mit einer neuen Dose Gingerale und einer Handvoll Tabletten zurückkam, fragte ich: »Geht’s dir wieder schlechter?« Ich stellte den Fernseher etwas leiser, obwohl gerade meine Lieblingsszene lief.
    Grace kippte sich alle Tabletten auf einmal in den Mund und spülte sie mit einem schnellen, gezielten Schluck Gingerale hinunter. »Ein bisschen. Abends geht es einem ja immer schlechter, wenn man krank ist, oder? Hab ich mal gelesen.«
    Ich sah sie an. Wahrscheinlich wusste sie es. Wahrscheinlich dachte sie das Gleiche, was ich dachte, aber ich wollte es nicht aussprechen. Stattdessen fragte ich: »Was haben denn die im Krankenhaus dazu gesagt?«
    »Dass es nur Fieber ist. Grippe«, antwortete sie und ich wusste, sie dachte daran, wie sie mir damals erzählt hatte, dass sie gebissen worden war. Dass sie gedacht hatten, es wäre die Grippe. Auch damals war es nicht die Grippe gewesen.
    Schließlich sprach ich aus, was mich schon die ganze Zeit beschäftigte, seit ich das Haus betreten hatte. »Grace, du … riechst. Wie dieser Wolf, den wir gefunden haben. Du weißt, dass das hier mit den Wölfen zu tun hat.«
    Sie rieb mit dem Finger über das Rankenmuster am Rand ihres Tellers, immer wieder, als wollte sie, dass es verschwand. »Ich weiß.«
    In dem Moment klingelte das Telefon und wir wussten beide, wer es war. Grace sah mich an und ihre Finger schienen plötzlich wie erstarrt.
    »Sag’s nicht Sam«, bat sie.

KAPITEL 26
SAM
    In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Also fing ich an, Brot zu backen.
    Meine Schlaflosigkeit lag vor allem an Grace: Der Gedanke daran, nach oben ins Bett zu gehen, wieder allein darin zu liegen und auf den Schlaf zu warten, war vollkommen unerträglich. Aber zum Teil war es auch Coles Anwesenheit im Haus. Er war so rastlos, so voller Energie – wanderte auf und ab, probierte die Stereoanlage aus, setzte sich auf die Couch und sah fern, um dann

Weitere Kostenlose Bücher