Ruht das Licht
plötzlich wieder aufzuspringen ~, dass es auf mich abfärbte. Es war, als hielte ich mich in der Nähe eines explodierenden Sterns auf.
Brot backen. Das hatte ich von Ulrik gelernt, der ein unglaublicher Snob gewesen war, was Brot anging. Die meisten gekauften Brotsorten lehnte er schlichtweg ab und in Kombination mit der Tatsache, dass ich mich, als ich zehn war, nur von Brot ernährt und alles andere verschmäht hatte, musste in dem Jahr bei uns eben viel gebacken werden. Beck fand uns beide unmöglich und wollte mit unseren Neurosen nichts zu tun haben. Und so verbrachten wir viele Vormittage miteinander, an denen ich mit der Gitarre, die Paul mir geschenkt hatte, auf dem Boden kauerte, während Ulrik auf einen Batzen Teig eindrosch, bis dieser sich fügte, und gut gelaunt darüber fluchte, dass ich ihm im Weg war.
Eines Tages, noch relativ früh im Jahr, zog Ulrik mich auf die Füße und ließ mich den Teig machen. Es war der Tag, an dem Beck das mit Ulriks Arzttermin herausgefunden hatte; die Erinnerung daran war wieder in mir hochgekommen, als ich sah, wie Victor darum kämpfte, ein Mensch zu bleiben. Beck war sichtlich wütend in die Küche gestürmt und Paul kam hinterher und blieb im Türrahmen stehen. Er wirkte weniger besorgt, sondern vielmehr so, als hoffte er auf einen interessanten Zusammenprall.
»Sag mir, dass Paul lügt«, verlangte Beck, während Ulrik mir die Hefe in die Hand drückte. »Sag, dass du nicht bei einem Arzt gewesen bist.«
Paul sah aus, als wollte er jeden Moment losprusten vor Lachen, und Ulrik schien ebenfalls kurz davor.
Beck hob die Hände, als wollte er Ulrik erwürgen. »Es stimmt also. Du bist wirklich hingegangen. Du Vollidiot. Ich hab dir doch gesagt, das bringt nichts.«
Als Ulrik grinste, konnte Paul sich das Lachen nicht mehr verkneifen. »Erzähl ihm, was er dir verschrieben hat«, gluckste er.
Ulrik jedoch schien zu spüren, dass Beck das Ganze überhaupt nicht witzig finden würde. Er lächelte bloß, dann deutete er auf den Kühlschrank und sagte: »Die Milch, Sam.«
»Haldol«, erklärte Paul. »Er lässt sich gegen Werwolfismus behandeln und was kriegt er? Ein Antipsychotikum.«
»Und das findest du lustig?«, schimpfte Beck.
Endlich sah Ulrik Beck an und machte mit einer Hand eine Na und?- Geste.»Ach komm, Beck. Der dachte sowieso, ich wär verrückt. Ich hab ihm alles erzählt – dass ich mich im Winter in einen Wolf verwandle und von der Übelkeit und wann ich mich dieses Jahr wieder in einen Menschen verwandelt habe. Alle Symptome. Ich erzähl ihm die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe, und der Kerl hört bloß zu und nickt und schreibt mir eine Medizin für Irre auf.«
»Bei wem bist du gewesen?«, wollte Beck wissen. »In welchem Krankenhaus?«
»In Saint Paul.« Als Ulrik und Paul Becks Gesichtsausdruck sahen, prusteten sie wieder los. »Was, hast du etwa gedacht, ich wäre ins Mercy Falls General marschiert und hätte denen erzählt, dass ich ein Werwolf bin?«
Beck war definitiv not amused. »Und das war’s? Er hat dir nicht geglaubt? Kein Blut abgenommen? Gar nichts?«
Ulrik schnaubte. Er schien vergessen zu haben, dass doch eigentlich ich den Teig machen sollte, und fing selbst an, das Mehl hineinzukneten. »Der konnte mich gar nicht schnell genug wieder loswerden. Als wäre verrückt zu sein ansteckend.«
Paul nickte. »Da wäre ich so gerne dabei gewesen.«
Beck schüttelte den Kopf. »Ihr zwei habt sie echt nicht mehr alle.« Aber in seiner Stimme lag Zuneigung, als er sich an Paul vorbei aus der Küche schob. »Wie oft muss ich euch das noch sagen: Wenn ihr wollt, dass ein Arzt euch glaubt, müsst ihr ihn beißen!«
Paul und Ulrik wechselten einen Blick. »Meint er das ernst?«, fragte Paul.
»Glaub nicht«, erwiderte Ulrik.
Das Gespräch wandte sich einem anderen Thema zu, während Ulrik den Teig fertig machte und zur Seite stellte, um ihn gehen zu lassen, aber die Lektion dieses Tages vergaß ich nie: Bei diesem ganz speziellen Problem waren Ärzte keine große Hilfe.
Meine Gedanken kehrten zu Victor zurück. Ich wurde das Bild einfach nicht los, wie er sich ohne Anstrengung vom Menschen in einen Wolf und wieder zurück verwandelte.
Cole ging es anscheinend genauso. Mit genervtem Gesichtsausdruck kam er in den Raum marschiert und stemmte sich auf die Kücheninsel hoch. Er verzog die Nase wegen des starken Hefegeruchs und sagte: »Ich sollte wohl überrascht sein, dass du backst. Bin ich aber nicht.
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