Ruinen der Macht
den Minen arbeiten. Doch er hatte ein begnadetes Talent, was Finanzen anging. Nagursky hatte ein Bankenimperium aufgebaut und aufgegeben, um sich an ein Unternehmen zu machen, das alle seine Berater als finanziellen Selbstmord bezeichnet hatten. Sein auf Seltene Erden spezialisierter Bergbaukonzern hatte sein Vermögen verhundertfacht. Keine Elektronik auf Mi-rach oder einem halben Dutzend anderer Welten ließ sich ohne die seltenen Elemente herstellen, die sein vertikal integrierter Bergbaukonzern Nagursky Enterprises aus dem Boden holte.
Der Firma gehörte alles, vom Boden, den sie ausbeutete, über die riesigen BergbauMechs und die Schmelzanlagen bis hin zu den Vertretern, die dafür sorgten, dass sie für ihre Seltenen Erden den bestmöglichen Preis erzielte, auf Mirach ebenso wie irgendwo sonst.
Marta bemerkte, wie amüsiert Parsons von Nagurskys Auftreten war. In Anbetracht eines langen Morgens in der Gesellschaft des Legaten musste die Grobheit des Bergbaumagnaten erfrischend wirken. Zumindest hoffte sie das. Alles an Parsons deutete auf eine genau definierte Mission hin.
»Der Lordgouverneur ist daran interessiert, sich über die Sorgen und Nöte aller Bewohner seiner Präfektur zu informieren«, erklärte Parsons vage. Er faltete die Hände über dem Bauch und lächelte wie ein Buddha. Doch im Blick der scharfen, klaren Augen des Diplomaten lag nichts Abgeklärtes.
»Marta, ich habe keine Zeit für schöne Reden. In Ventrale streiken die Bergarbeiter, und die Unruhen drohen, auf uns hier überzugreifen.« Nagursky musterte widerwillig den Gesandten Parsons. Parsons war das genaue Gegenteil des Magnaten. Nagursky war so einfach und strapazierfähig gekleidet wie irgendein BergbauTech, der untertage einen ArbeitsMech steuerte, und hatte sichtlich keine Verwendung für die maßgeschneiderte Kleidung, die Jerome Parsons bevorzugte. Während Parsons von gedrungenem Körperbau war, war Nagursky groß und muskulös. Parsons' grüne Augen schauten in Nagurskys erdbraune. Keiner der beiden Männer blinzelte.
»Haben Sie Angst vor einem Angriff? Vor der Menge der Entmutigten? Oder vor einer weniger greifbaren, aber dadurch keineswegs weniger gefährlichen Seite?«, fragte Parsons.
»Seit Sie das Netz haben zusammenbrechen lassen, wissen wir nicht mehr, wo oben und wo unten ist«, erwiderte Nagursky mit dem üblichen Mangel an Zurückhaltung. »Kommen Sie zur Sache. Ich habe ein Geschäft zu führen, und dasselbe gilt für Ms. Kinsol-ving und Dr. Chin.«
»Meine Zeit ist begrenzt«, stellte Parsons fest und klang jetzt eher wie Nagursky denn als ein Diplomat. »Meine unmittelbare Mission lautet, zuzuhören.«
»Wie bitte?«, fragte Nagursky nach. »Sie wollen, dass ich Sie anbrülle?«
»Falls Sie darauf bestehen und das Ihre beste Möglichkeit ist, Ihre Probleme und die etwaigen Antworten des Lordgouverneurs darauf auszudrücken«, erwiderte Parsons. Er setzte sich in einen Sessel neben einem großen Tisch und lehnte sich zurück, die Hände über dem Bauch gefaltet. Seine Lider senkten sich etwas, sodass es aussah, als würde er jeden Moment einschlafen. Aber Marta hatte den Eindruck, dass genau das Gegenteil der Fall war. Parsons würde sich an jedes Wort, jede Nuance und jede winzige Bewegung aller in diesem Raum Anwesenden erinnern, als hätte er das Gespräch digital aufgezeichnet.
»Sie wollen wissen, was ich über das Bergwerksgeschäft zu sagen habe?«, fragte Nagursky kampflustig. Parsons nickte leicht.
Ben Nagursky holte zu einer detaillierten Beschreibung der allesamt auf Angst beruhenden Handelshemmnisse zwischen Mirach und anderen Systemen der Präfektur aus. Seit dem Verlust der interstellaren Kommunikationsverbindungen bauten andere Planeten Handelsbarrieren auf. Zunehmender Sprungschiffverkehr bedeutete ein zunehmendes Risiko der Invasion, und so reduzierten alle Systeme den Reiseverkehr, mit vorhersehbaren Schäden für den freien Handel. Danach beschrieb er die wirtschaftlichen Probleme Mirachs
- und das, was Sandoval gegen sie unternehmen konnte.
Marta hörte Nagurskys Tirade nur mit halbem Ohr zu. Sie hatte das alles schon bei früheren Gelegenheiten erfahren und stimmte ihm zu. Sie war mehr daran interessiert, Parsons zu beobachten. Der Mann nickte ab und zu mit dem Kopf und ermunterte den MBA-Vize-Präsidenten, weiterzureden, bis ihm der Atem ausging. Dann bat er Dr. Chin um einen Überblick über die Nahrungsproduktion auf Mirach und die Auswirkungen des HPG-Kollapses auf seine
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