Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
er. »Doch – aber nur Saufköpfe! Ein Kerl behauptete, der Sohn von Oliver Wendell Holmes zu sein – als ob mich das die Bohne interessieren würde, verdammt!« Er schlug den Ball mit einer heftigen Handbewegung auf den Boden. »Wer schickt mir pausenlos diese Säufer?« schrie er. »Woher kommen die nur alle?«
Er hob seine Faust und redete so, als wären es seine
letzten Worte: »Jemand muß dagegen ankämpfen, Kemp, die kriegen die Oberhand. Diese Saufköpfe übernehmen die ganze Welt. Und wenn die Presse untergeht, sind auch wir erledigt – begreifen Sie das?«
Ich nickte.
»Himmel«, fuhr er fort, »wir haben doch Verantwortung! Eine freie Presse ist lebenswichtig! Und wenn erst eine Horde Dumpfbacken das Blatt regiert, ist das der Anfang vom Ende. Sie machen sich erst hier breit, dann bei den anderen – und irgendwann holen sie sich die TIMES. Können Sie sich das vorstellen?«
Ich verneinte.
»Die kriegen uns noch alle!« rief er. »Die sind gefährlich – heimtückisch! Dieser Kerl, der da meinte, er wäre der Sohn von Richter Holmes – ich würde ihn unter Hunderten herausfischen. Ich würde ihn sofort an seinem behaarten Nacken und seinen irren Augen wiedererkennen!«
Wie auf ein Stichwort kam in diesem Moment Moberg zur Tür herein, der einen Ausschnitt aus EL DIARIO dabei hatte.
Lottermans Augen funkelten wild. »Moberg!« tobte er. »Oh, mein Gott, Sie haben Nerven – hier reinzuplatzen, ohne anzuklopfen! Ich lasse Sie einsperren! Raus hier!«
Moberg sah mich mit rollenden Augen an und zog sich schnell wieder zurück.
Lotterman starrte ihm hinterher. »Die Nerven eines verdammten Trinkers«, sagte er. »Oh mein Gott, einen wie den sollte man einschläfern lassen.«
Moberg lebte erst seit ein paar Monaten in San Juan, doch Lotterman schien ihn mit einer Leidenschaft zu verabscheuen, die die meisten Menschen erst nach Jahren kultiviert hätten. Er war ein degenerierter Kerl – klein, dünnes blondes Haar, blasses, aufgeschwemmtes Gesicht.
Ich habe niemals jemanden erlebt, der so von einem Selbstzerstörungstrieb besessen zu sein schien wie er – und Moberg zerstörte nicht nur sich selbst, sondern auch alles, was ihm sonst in die Finger kam. Er war in jeder Hinsicht korrupt und lasterhaft. Obwohl er den Geschmack von Rum verabscheute, konnte er eine Flasche in zehn Minuten herunterkippen, bis er kotzte und umfiel. Er ernährte sich ausschließlich von Sugarballs und Spaghetti, die er sofort wieder hochwürgte, sobald er betrunken war. Das meiste Geld gab er für Nutten aus, und wenn ihm das zu langweilig wurde, nahm er sich einen Schwulen, nur so zur Abwechslung. Er hätte für Geld alles getan – und dieser Mensch war unser Polizeireporter. Oft war er tagelang verschwunden, und jemand mußte losziehen, um ihn in den dreckigsten Bars in La Perla aufzustöbern – einem Slum, der so heruntergekommen war, daß er auf den Stadtplänen von San Juan nur als weißer Fleck existierte. La Perla war Mobergs Hauptquartier. Hier fühlte er sich zuhause, wie er sagte. Doch im Rest der Stadt war er eine verlorene Seele, abgesehen von einigen wirklich grauenerregenden Bars.
Er erzählte mir, daß er die ersten zwanzig Jahre seines Lebens in Schweden verbracht hatte. Oft versuchte ich, ihn mir in einer jungfräulichen skandinavischen Landschaft vorzustellen. Ich versuchte, ihn auf Skiern zu sehen, oder wie er mit seiner Familie friedlich in seinem kalten Bergdorf lebte. Aus seinen wenigen Bemerkungen über Schweden schloß ich, daß seine Eltern wohlhabend waren und genug Geld hatten, ihn auf ein amerikanisches College zu schicken.
Er verbrachte zwei Jahre an der New York University und wohnte im Village eines jener Hotels, die hauptsächlich auf ausländische Pensionsgäste eingestellt sind.
Anscheinend kam er damit nicht klar. Einmal, so erzählte er, wurde er in der Sixth Avenue festgenommen, weil er wie ein Hund an einen Hydranten gepinkelt hatte. Das brachte ihm zehn Tage Gefängnis ein, und als er wieder heraus kam, machte er sich sofort auf den Weg nach New Orleans. Dort strampelte er sich eine Weile ab, bis er einen Job auf einem Frachter bekam, der in den Orient fuhr. Er arbeitete er einige Jahre auf See und trieb schließlich in den Journalismus hinein. Jetzt war er dreiunddreißig und sah aus wie fünfzig. Sein Geist war gebrochen, sein Körper vom Trinken geschunden, und es verschlug ihn von einem Land ins nächste. Er verdingte sich als Reporter und blieb solange, bis man
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