Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
sehen. Ich lag lange auf dem Floß und versuchte, an nichts zu denken.
14
CHENAULT WACHTE MIT EINEM kurzen spitzen Schrei auf, hüllte sich in den Regenmantel und suchte mit ihren Augen den Strand ab.
»Hier bin ich«, rief ich. »Komm doch rein.«
Sie schaute zu mir herüber und lächelte. Den Regenmantel hielt sie wie einen Schleier zwischen uns. Dann wurde Yeamon wach, schaute verwirrt aus und war böse auf was auch immer seinen Schlaf gestört haben mochte.
»Los geht’s!« brüllte ich. »Springt schon rein!«
Er stand auf und schlenderte zum Wasser. Chenault rief ihm hinterher und winkte ihm mit seinen Shorts. »Hier!« sagte sie streng. »Zieh das an!«
Ich wartete auf dem Floß auf die beiden. Yeamon war zuerst da, nachdem er sich wie ein Krokodil durchs Wasser gestoßen hatte. Dann sah ich Chenault, in Höschen und BH, auf uns zu schwimmen. Ich fühlte mich langsam ein wenig unwohl und wartete, bis sie das Floß erreicht hatte; dann glitt ich ins Wasser herunter. »Ich habe höllischen Hunger«, sagte ich und trat im Wasser. »Ich gehe irgendwo drüben am Flughafen frühstücken.«
Als ich wieder am Strand war, suchte ich meine Tasche. Ich erinnerte mich, daß ich sie in einem Baum deponiert hatte, aber ich wußte nicht mehr, in welchem. Endlich fand ich sie, in einer Astgabelung direkt über unserem Schlafplatz. Ich zog mir eine saubere Hose und ein verknittertes Seidenhemd an.
Kurz bevor ich losging, riskierte ich noch mal einen Blick auf das Floß und sah Yeamon nackt ins Wasser springen. Chenault strahlte, zog Höschen und BH aus und sprang ebenfalls hinein, direkt auf ihn drauf. Ich schaute noch einen Moment zu, dann warf ich meine Tasche über den Zaun und kletterte ihr hinterher.
Ich lief eine Straße entlang, die parallel zur Rollbahn verlief, und nach etwa einer halben Meile kam ich zum zentralen Hangar, einer riesigen Wellblechbaracke, in der geschäftiges Treiben herrschte. Alle paar Minuten landete ein Flugzeug, meistens kleine Cessnas und Pipers, und alle zehn Minuten kam eine DC-3 an, mit einer frischen Ladung partyhungriger Gäste aus San Juan.
Ich rasierte mich in der Herren-Toilette, dann drängte ich mich durch die Menge zum Restaurant. Die eben gelandeten Passagiere bekamen ihr Freigetränk, und in einer Ecke des Hangars war eine Gruppe betrunkener Puertoricaner, die zur Melodie irgendeines Gesangs, dessen Text ich nicht verstand, auf ihre Gepäckstücke trommelten. Es klang wie ein Anfeuerungsruf beim Football: »Busha boomba, balla wa! Busha boomba, balla wa!« Ich vermutete, daß sie es nie in die Stadt schaffen würden.
Ich kaufte mir einen MIAMI HERALD und bestellte ein üppiges Frühstück mit Pancakes und Speck. Nach ungefähr einer Stunde kam Yeamon. »Mein Gott, hab ich einen Hunger«, sagte er. »Ich brauche ein riesiges Frühstück.«
»Ist Chenault auch hier?« fragte ich.
Er nickte. »Sie ist unten und rasiert sich die Beine.«
Es war fast Mittag, als wir einen Bus in die Stadt nahmen. Bei einem Markt stiegen wir aus, und von da gingen wir los in Richtung Grand Hotel. Hin und wieder blieben wir
stehen und schauten in die wenigen Schaufenster, die nicht mit Brettern vernagelt waren.
Als wir uns dem Stadtkern näherten, nahm der Lärm zu. Aber es war diesmal ein anderer Klang – nicht das Toben glücklicher Stimmen und nicht das melodiöse Schlagen der Trommeln; eher das wilde Geschrei einer kleineren Gruppe von Leuten. Es hörte sich an wie ein Bandenkrieg, durchsetzt von Kreischen und berstendem Glas.
Wir eilten in die Richtung, aus der das Geschrei kam, kürzten den Weg ab, gingen quer durch eine Seitenstraße, die ins Einkaufsviertel führte. Als wir um die Ecke bogen, sah ich einen rasenden Mob, der die Straße verstopfte und beide Gehsteige blockierte. Wir verlangsamten unsere Schritte und näherten uns vorsichtig.
Ungefähr zweihundert Leute hatten einen der großen Spirituosenläden geplündert. Die meisten unter ihnen waren Puertoricaner. Aufgerissene Champagner- und Scotch-Kisten lagen auf der Straße, und jeder, den ich sah, hielt eine Flasche in der Hand. Die Leute kreischten und tanzten, und mitten in der Menge blies ein riesiger Schwede, der eine Art Unterleibsschutz trug, auf seiner Trompete.
Wir beobachteten, wie eine fette Amerikanerin zwei Magnumflaschen Champagner über ihren Kopf hob und sie aneinanderknallte, und sie lachte wild, als es Scherben und Schaum auf ihre nackten Schultern regnete. Eine versoffene Schlagzeuger-Truppe
Weitere Kostenlose Bücher