Rumble & Rush (German Edition)
nickte und schien zufrieden. »Dann kann er die Situation richtig einschätzen. Ich zweifle nicht an ihm, aber ich habe oft genug da oben gesessen, um Respekt vor dem Wetter zu haben. Man wird mutiger mit den Jahren und vergisst manchmal die Grenzen eines Schiffes. Der beste Rennfahrer kann nicht gewinnen, wenn ihm marode Reifen auf der Strecke wegplatzen.«
Der Seemann stand noch einmal auf, ging an die Gegensprechanlage und gab Allan Bescheid, dass im Maschinenraum alles in Ordnung war. Dann nahm er die gleiche bequeme Position wie zuvor ein.
Arden nickte verstehend und sie schwiegen einen Moment, etwas, dass sich in Gyls Gegenwart entspannend anfühlte.
»Ist es zwei Uhr morgens, oder mittags?«, fragte Arden nach einer Weile.
Der Bootsmann zuckte mit den Schultern und erwiderte mild lächelnd: »Keine Ahnung. Uhrzeiten werden egal, wenn man irgendwann nur zwischen Bett und Deck pendelt. Wir haben noch nicht richtig angefangen zu arbeiten, Arden. Die harte Zeit kommt noch, dann stehen wir stundenlang oben und versenken Körbe, bekommen eine Mütze schlaf, setzen dann weitere Reihen um dann die ersten wieder hochzuholen. Das ziehen wir durch, bis die Tanks voll sind. Die Krabben werden in St. Thomas gelöscht und dann geht das Spiel aufs Neue los.«
»Warum machst du den Job?«
Gyl lachte leise. »Ich brauche nur zwei Monate im Jahr schuften, den Rest verbringe ich zufrieden und mit verdammt viel Geld in der Tasche auf meiner kleinen Farm in Iowa. Was will man mehr? Für das Paradies, in dem ich knapp zehn Monate Leben kann, nehme ich alles in kauf. Vor allem ist es absehbar, dass ich in drei oder vier Jahren aussteigen und mich zur Ruhe setzen kann. Dann bin ich vierzig, das schaffen andere ihr Leben lang nicht. Allan ist das genaue Gegenteil von mir. Ich glaube, seine Wohnung hat im letzten Jahr zwei Mal das Vergnügen gehabt, dass er dort gewesen ist. Er lebt auf der Rumble und hat seine Bleibe nur, um einen festen Wohnsitz vorweisen zu können. Nach der Krabbensaison wechselt die Crew und es kommen drei neue Leute an Bord, die ihn auch schon über Jahre begleiten. Mit denen fischt er dann Heringe, Kabeljau oder was auch immer gerade anstehen mag. Er kann nicht ohne die Lady hier und schon gar nicht ohne das Meer. Ein echter Seemann sozusagen. Wir anderen machen die Arbeit des Geldes wegen.«
Arden nickte und machte innerlich einen Haken hinter die Frage, was Allans Familienstand betraf, denn keine Ehefrau würde etwas in dieser Art dulden.
»Wie habt ihr euch kennengelernt?«
Gyl zögerte einen Moment. »Du verwendest nicht alles, worüber wir sprechen in deinem Bericht, oder?«
Arden blickte ihn überrascht an, schüttelte aber umgehend den Kopf und erklärte: »Nein, das ist eine persönliche Frage, weil es mich interessiert.«
Der Mann nickte und schien zufrieden. »Ich hab ewig im Knast gesessen, und als ich rausgekommen bin, war es fast aussichtslos einen Job zu finden. In meiner Verzweiflung habe ich mich dann kurzerhand als Krabbenfischer beworben. Ein Greenhorn ohne Erfahrung und mit einem Strafregister, das von der Länge her einer Klopapierrolle Konkurrenz machen konnte. Sie haben mich alle konsequent abgelehnt, nur Allan hat sich auf ein Vorstellungsgespräch eingelassen. Er hat mir ein paar Fragen gestellt, mir anschließend auf die Schulter geklopft und gesagt, dass ich sauber bleiben soll, dann würde aus uns was werden. Seither bin ich in der Crew der Rumble und mein Leben hat sich schlagartig verändert.«
Arden lag die Frage auf der Zunge, warum Gyl gesessen hatte. Der Mann machte auf ihn nicht den Eindruck eines Verbrechers.
Ungefragt erzählte Gyl: »Während meine Eltern damit beschäftigt waren zu saufen, habe ich die ersten kleinen Diebstähle begangen. Da war ich acht oder neun. Meine Klamotten sahen ewig ranzig aus, also habe ich hier mal eine Jeans, ein paar Turnschuhe oder Shirts mitgehen lassen, damit die anderen Kinder in der Schule nicht mehr mit dem Finger auf mich zeigen. Dann kam die Zeit, in der man auch mal ein wenig Kohle auf der Tasche haben musste. Zuhause hat es niemanden geschert, wie es mir ging, Arden. Also gesellte sich ein Job als Drogenkurier zu den Diebstählen. Ich hatte mich schnell daran gewöhnt, wenn ich etwas haben wollte, ließ es sich irgendwie illegal organisieren. Der Jugendrichter hat mich regelmäßig zu Gesicht bekommen, wahrscheinlich öfter als meine Eltern, aber ich bin immer mit einem blauen Auge davon gekommen, weil sie mir nie wirklich
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