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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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er wohne in Töölö, dem etwas besseren Viertel Helsinkis, gleich neben der Finlandia Halle von Alvaar Alto. Auf dem Weg redeten wir über Architektur, wie sehr ich Alto verehrte, finnische Architektur generell, und er sagte, er sei Innenarchitekt, deswegen sei er auch hier, er komme aus Italien, genauer genommen aus Seborga, diesem winzigen Fürstentum gleich neben Monaco. Darauf war er stolz, und ich war sogar schon einmal in dieser komischen Mikronation gewesen, damals blühten überall prachtvoll die Mimosen, die «Schamhaften Sinnpflanzen», wie wir von der Carl-von-Linné-Jugend sie zu nennen pflegen. Sein Name sei Mattia, aber ich könne ihn Matti nennen, wir seien ja hier in Finnland. In seiner Wohnung schob er mich gleich ins Schlafzimmer, und spätestens da hätte ich misstrauisch werden müssen. Wieso passiert mir das immer wieder? War ja nicht das erste Mal. Er ging kurz raus, meinte, er hole jetzt etwas zu trinken, und ich dachte in meiner kriminell naiven Art, na gut, trinken wir halt was im Schlafzimmer, vielleicht ist seine Küche unaufgeräumt. Als er wiederkam, hatte er keine Hose mehr an, er setzte sich aufs Bett und fingerte an meinem Hosenstall. Ich war wie gelähmt, in Schockstarre, Tunnelblick, er nestelte meinen Penis heraus (ich hasse dieses Wort, es ist nicht so sehr das Pe, das mich stört, es ist das -nis, aber was soll man sonst sagen? Hosenbruder? Glied? Dann wird’s unseriös) und spielte die Posaune, keine Gefühle, nichts, taub natürlich, wie abgetrennt vom restlichen Körper, der allerdings ebenso taub und passiv war. Vielleicht ist das ein Schutzmechanismus, der verhindern soll, dass einem bei irgendeiner Form von Abwehr Gewalt angetan wird, bin ja auch nicht der Kräftigste. Währenddessen rubbelte er sich einen ab, was dankenswerterweise recht flott ging. Er sprudelte in seine hohle Hand und eilte schon wieder hinaus, ich stand immer noch erstarrt da, richtete mich wieder her, und er kam mit einer Plastiktüte voller Flaschen zurück, als sei gar nichts vorgefallen: «Hier, etwas zu trinken», dann schob er mich wieder aus der Wohnung und stopfte mir noch etwas in meine Potasche. Ich dachte, es sei seine Telefonnummer, für den Fall, dass ich mal wieder durstig wäre. Völlig apathisch, gehäutet, torkelte ich zurück zum Töölösee, zur Bank, wo ich mich hatte hinlegen wollen, nun hatte wieder mal der Regen eingesetzt, den ich komischerweise als willkommen empfand, Schmutz abwaschen, Trost spenden, oder was auch immer einem das Unterbewusstsein so anbietet in solchen Fällen. Aber hier zu schlafen ging nun natürlich nicht mehr. Ich suchte mir ein Bushaltestellenhäuschen, meine neue, kleine Wohnung, hier konnte ich mein eigener Innenarchitekt sein. Ich untersuchte die Tüte, alles alte, staubige Schnapsflaschen, halbleer, die Matti wohl loswerden wollte, er hatte mich also auch noch benutzt, um seine Bleibe zu entrümpeln. Eine der klebrigen Flaschen war ein Zitronenlikör aus seiner Heimat (Limoncello), ungenießbar, ich rollte den Schlafsack aus, und desertierte in einen unruhigen Schlaf. Als ich gegen sechs aufwachte, bemerkte ich, dass ich in einer Ameisenstraße lag. Sie hatten den Likör entdeckt.
    Ich packte alles wieder zusammen, Schlafsack, Aktentasche, um zum Büro von Malev Air zu gehen. Kurz bildete ich mir ein, ich gehe zur Arbeit, interessant, wie kreativ man denkt, wenn man etwas Unappetitliches verdrängen muss, die Schnapsflaschen ließ ich natürlich stehen, und dann fiel mir der Zettel ein, den mir Matti in die Tasche geschoben hatte. Den wollte ich auch gleich wegschmeißen, bei den Flaschen lassen, aber es war kein Zettel, es waren Geldscheine, er hatte mich bezahlt, es waren 200 Markka, zwei Hunderter mit dem mürrischen Jean Sibelius vorne drauf (etwa 40 Euro). Nun war ich etwas irritiert. Mein Unterbewusstsein redete mir ein, dass ich mich eigentlich nicht beschweren könne, aber ich wollte gar nicht mehr nachdenken, vor allem nicht über das, was vorgefallen war; am Ende kommen noch lästige Traumata angedackelt, die man dann jahrelang mitschleppen, hegen und pflegen muss. Ich konzentrierte mich auf die Ungarn.
    Und es ging tatsächlich, ich konnte den Flug von Tallinn nach Budapest vorbuchen, schnell zum Fährhafen, um zehn ging ein Boot. Alles lief perfekt, die Fähre kostete umgerechnet 30 Euro, ich tauschte meine restlichen 50 Markka in Krooni um und hatte sogar noch Zeit, um im berühmten Lokal Kuller eine Wurstsuppe zu essen, dann ging es

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