Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
bisschen Komfort, zudem regnete es jetzt sehr heftig, und das wird ja nicht so viel kosten, der arme Todgeweihte hat ja gestern die ganze Zeche bezahlt. Der Taxifahrer fuhr aber ganz seltsam, irgendwie in die Peripherie, ich sagte immer BUS und WIEN, und er nickte, als verstünde er, und dann verstand wiederum ich: Der Mann dachte, ich wolle mit ihm, mit dem Taxi nach Wien: Mir wurde plötzlich glühend heiß, ich hatte gerade einmal Forint für zwei Bier, aber doch nicht für eine stundenlange Taxifahrt. Der Fahrer sprach nur Ungarisch, wir waren schon außerhalb Budapests, den Taxameter hatte er ausgestellt, er fuhr also auf eine Pauschale. Verzweifelt machte ich die internationale Geldgeste, dieses Reiben des Daumens am Zeigefinger, er schrieb lenkend auf einen Block die Zahl 1000. Forint?, fragte ich. Er schüttelte lachend den Kopf, und ich fragte: Schilling? Er nickte. Nun begann ich fieberhaft nachzudenken, ich komme hier nicht mehr raus, er hat ja bereits Kilometer verfahren, zahlen hätte ich ihn sowieso müssen, wenn er mich auf der Autobahn rausschmeißt, komme ich noch schlechter weg, und draußen der starke Regen. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass ich mal telefonieren müsse, internationales Telefonzeichen, Daumen, kleiner Finger, er nickte und fuhr eine Raststätte an. Ich ging zu einer Telefonzelle, rief mit meinen paar Forintmünzen den Freund in Wien an, sprach ihm aufs Band, aber er schlief wohl noch. Ich flehte ihn an, zu Hause zu bleiben, in etwa vier Stunden würde ich kommen und er müsse mir 1000 Schilling leihen (etwa 70 Euro), und in dem Moment hob er ab. Er war da, ich war gerettet, glücklich setzte ich mich wieder ins Taxi, ich versuchte zu reden, zu erzählen, von Heidi und Lisi, aber all mein Reden nutzte nichts, der Fahrer verstand nicht, so musste ich vier Stunden schweigen, und ich genoss es. Ich fühlte mich so wohl und so geborgen wie schon lange nicht mehr, ich sah dem Regen zu und ließ mich vom Gequietsche der Scheibenwischer hypnotisieren. Während in diesem Moment ein armer Mann aus Darmstadt in Budapest von einer Brücke in den Tod springt.
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Fußbier
Hank Scorpio: Homer, welches Land mögen Sie am wenigsten? Frankreich oder Italien?
Homer Simpson: Frankreich.
Hank Scorpio: Haha, niemand sagt Italien.
Nicht wenige haben sich schon einmal gefragt, haben noch vor sich zu fragen oder fragen sich vielleicht auch gar nicht, weil es ihnen egal ist, warum es einem die Italiener nur immer so schwer machen, sie zu mögen. Rätselhaft, warum sie nichts dagegen tun, Vorurteile nicht revidieren und Ressentiments nicht zertrümmern, warum sie bar jeder Geheimnishaftigkeit bleiben und sich generell einer nur noch tragisch zu nennenden Tollpatschigkeit befleißigen, Typen, die ihren Salat schon beim Waschen zur Hälfte aufessen, und rauchen, wie Nichtraucher denken, dass Raucher rauchen, mit ratlosen Blicken wie eine halbaufgezogene Gardine. Wenn Franzosen auf Englisch angesprochen werden, reagieren sie trotzig und antworten auf Französisch, begeistert darüber, dass sie alle ihre regionalen Dialekte vernichtet haben und ganz kirre von ihrer Hochsprache sind und andere das gefälligst auch sein sollen. Wenn Italiener in der gleichen Situation sind, auch sie können natürlich kein Englisch, ist ihnen das peinlich, aber sie weisen mimisch und gestisch darauf hin, dass sie nichts dagegen tun können, irgendeine geheimnisvolle Kraft, eine Art posttraumatischer Verbitterungsstörung hat sie davon abgehalten, eine Fremdsprache zu lernen. Es gibt auch so viel zu tun, reden statt atmen zum Beispiel, und wenn dann mal nicht geatmet (geredet) wird, essen, essen bis zur Erschöpfung, wenn aller Sauerstoff im Magen ist, um das viele Essen aufzuspalten, kann man sowieso nichts lernen und denken. Mir kommt es so vor, als ob Italiener es ebendeshalb nicht schaffen würden, all ihr Denken, Handeln, Wirken auf eine Metaebene zu verfrachten, also sich selbst zu reflektieren, weshalb sie in immer noch regressiverer Starre verharren, in der nur nervende Blödeleien à la Roberto Begnini, das pubertäre Gefasel vom Futurismus und Rondo-Veneziano-Gedudel konsumiert werden können. Natürlich weiß ich, dass sie in der Lage sind, diese oder jene relevante Kulturleistung zu vollbringen, etwa schmutzige kleine und grausame Filme herzustellen wie die von Lucio Fulci, Ruggero Deodato und Dario Argento, aber sieht der Italiener so was? «Ein Zombie hing am Glockenseil», «Cannibal
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