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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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Gebrabbel um nichts, das Starren ins Nichts, dieses ganze cremige Leben an der Oberfläche, am richtigen Leben vorbei, diese Pause im Dasein, das ganze Theater, verdammt, es ist da draußen nicht so, wie ihr das hier spielt. Und dann ist man ganz froh, dass man mit Ryan Air zurückfliegt, Alghero–Bratislava (20 €), das dreckige Ticket in die Realität, freie Platzwahl, drängelnde Verbrutzelte, ihre Koffer mit Frischhaltefolie umwickelt, die Flugbegleiter in ihren abgewetzten, fadenscheinigen Uniformen verkaufen gedemütigt Rubbellose und Telefonwertkarten (die der Kapitän marktschreierisch anzupreisen gezwungen ist), selbst Italienern wäre dieses Schmierentheater zu stillos und peinlich, sie schminken ihre Schamlosigkeiten wenigstens, und der schale Geschmack ist nichts anderes als der Neid, der uns beißt, dass es uns einfach nicht gelingt, sorgenfrei Sorgen zu haben und in einer stehenden Uhr den Hinweis zu sehen, dass alles Streben sowieso keinen Sinn hat, wir alle sterben, warum geben wir also nicht all unser Geld für ewiges Essen aus und verbrauchen unseren Sauerstoff für endlose Reden?

[zur Inhaltsübersicht]
    Der erste Platz ist gar nicht schlecht
Du kannst ein Land verarschen,
aber nicht die ganze Welt.
Albert Oehlen

    Oslo ist keine schöne Stadt. Nein, das ist viel zu verzagt formuliert, Oslo ist scheußlich, völlig verbumfeit, wie Duisburg und Tiraspol, die Hauptstadt von Transnistrien, zusätzlich hat Oslo so etwas verblüffend dörflich Verranztes. Aber man kann von einem bis vor kurzem armen Kartoffel- und Kabeljaustaat, der quasi über Nacht zu märchenhaftem Reichtum gelangt ist, nicht verlangen, dass er elegante Lösungen parat hat, wenn es an den Bau einer richtigen Stadt geht, hier hat man alles hingestellt, was man bekommen konnte, sogar einen riesigen Tiger auf den mit großen Scharen von Drogenwracks bevölkerten Platz vor dem Bahnhof. Gut, sie haben dieses herrliche expressionistische Backsteinrathaus und jetzt die große weiße Geste von einer Oper vom Baukollektiv Snøhetta , aber in deren Schatten ducken sich die Elendsquartiere ästhetischer Analphabeten. Knut Hamsun hatte schon recht, die Norweger können Stadt nicht, da gehören sie nicht hin, sie bleiben Dorschköpfe. Er, der zeitlebens den Segen der Erde gepriesen hat, würde jetzt, nach den Segnungen des Öls, noch viel mehr Gründe haben, gegen Bürger, Snobs und Taschenspieler zu wettern («Diese genügsamen, Süßigkeiten naschenden Studenten, die glauben europäisch ausschweifend zu sein, wenn sie einem Nähmädchen auf die Brust patschen»), die alles Fragwürdige haben wollen, was ein zu rascher Reichtum an Tand und Verlockungen so anzubieten hat.
    Wer dieser Tage durch die Gassen Oslos schnürt, Hamsuns erschütterndes Meisterwerk Hunger vor dem geistigen Auge, ahnt, dass nicht allein der physische, eher noch der psychische Hunger gemeint sein muss, der als ein diffuser Wunsch nach Identität in den Norwegern nagt. Wer sind wir eigentlich, wodurch definieren wir uns? Durch Lutefisk, in Ätznatron gewässertem glibbrigen Stockfisch?
    Der Bahnhofstiger soll übrigens, man will es nicht glauben, die Stadt als so kraftvolle wie wendige Großkatze symbolisieren. Es gibt aber auf dem Stortorget (Marktplatz) auch ein Denkmal für drei Hühner.
    Der Eurovisionssongcontest war in die Stadt gekommen. Das, was für Klagenfurt der Bachmannpreis und für Monte Carlo die Formel 1 ist, ein klobiges Großereignis wird in eine Stadt gehebelt, ein logistischer Kraftakt, der sie erhitzt wie eine Konfirmandenfreizeit.
    Musik ist von jeher identitätsstiftend, aber was kennt man musikalisch von Norwegen? Die Keimzelle des Black Metal (Darkthrone, Gorgorth, Burzum), sinistre Kirchenanzünder, sich gegenseitig abmurksende, nihilistische Galgenvögel, das ist ja an sich schon mal ein guter Ansatz, aber nicht massenkompatibel: Alle wollen immer lachen und fröhlich sein; dass in Black-Metal-Kreisen das Lachen verpönt war, ist offenbar der Grund, warum dieses Genre inzwischen mausetot ist. Die Scherzkekse haben gewonnen.
    Niemand wird die Sinnhaftigkeit des Songcontests in Frage stellen, nämlich für einen Abend etwas zu konstruieren, das gleichermaßen aufgeplustert wie lächerlich ist, bis in die letzte Faser schwul und unverdrossen tut, als gebe es ein vereintes Europa. Eine irisierende Illusion wie eine Seifenblase, in der Summe etwas absolut Großartiges. Jeder, der das nicht kapiert, ist ein verdammter Idiot, vermutlich mit einem

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