Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
Ist das ein Scheiß? Ist das ein Scheiß? Agnetha! Anni-Frid! Was verdammt hattet ihr in der unheimlichen Nacht mit Fernando am Rio Grande zu schaffen? Wer ist überhaupt dieser Fernando? Hier ist meine Antwort: Es hat die beiden Mädchen einen Scheiß interessiert! Das wird nicht hinterfragt. Drum klingt es so schön.»
Und das soll es doch sein, Musik ohne Standesdünkel konsumieren, aber auch Musik machen, für die man schmort und die Instrumente brutzeln lässt, rücksichtslos regredieren, ohne auf irgendwas anderes zu schielen, und sei es auf die Wirkung, Musizieren, bis die Kühe heimkehren und die Dandys durch die Nacht lungern. Alles ist gleich weit vom heißen Kern der Vision entfernt.
Auf unserer längst vergriffenen ersten Platte, aufgenommen im drückend heißen Sommer 1994, «John Lennon beim Betreten einer Bar in New York» heißt sie, befindet sich neben dem stampfenden Technoungeheuer «Horst Buchholz: Le tout est de trouver une diversion à son ennui» ein Lied namens «Dieter Zimmermann», die Hommage an jenen Mann, mit dem Agnetha Fältskog von ABBA 1968 kurzzeitig verlobt war, ein Musikproduzent aus Berlin, mit dem sie einige – allerdings weitgehend erfolglose – deutschsprachige Titel aufnahm, unter anderem die Schnulze «Attenzione, du fällst gleich!». Und auch diese Nummer findet man auf der allerersten Mäuseplatte, die auf Empfehlung des Superstars Falco auf dessen Label Gig Records erschien und mit 171 verkauften Einheiten der größte Flop der Firmengeschichte werden sollte. Was für eine Ehre. ABBA haben schätzungsweise 370000000 Platten verkauft, wir 171, allerdings nur von der ersten, die nächsten gingen besser, ABBA, wir kommen.
In Paris angekommen, war Quehe schon wieder einigermaßen auf dem Damm. Den Flug hatte er verschlafen, die Wolken zogen vorüber. Ich kannte mal einen, der wollte auf LSD im Flugzeug unbedingt sein Fenster aufmachen und kratzte mit dem Plastikessbesteck an der Silikondichtung herum, weil er draußen die Himmelsleiter gesehen hatte. Das ist uns also erspart geblieben. Nicht erspart blieb uns die Taxifahrt in die Stadt. Ich mag ja Paris, ich will nicht nach Paris, wenn es nicht unumgänglich ist, und ich finde auch gut, dass es Paris gibt, aber Paris soll ruhig ohne mich stattfinden, wenn es möglich ist, wenn nicht, muss man seinen Aufenthalt mit möglichst wenig Bevölkerungsberührung absolvieren. Sie verachten einen, sie nehmen einen aus, sie sind so stolz auf ihre Stadt, und davon muss der Taxifahrer, ausschließlich auf Französisch, andere Sprachen existieren ja nicht, schwärmen und alles erklären, weil er etwas bieten will für die vielen Zuschläge, die er am Ende der Fahrt auf den aberwitzigen Preis noch draufschlagen kann, er lacht, wir lachen auch, Didi, Potto, Quehe, Texel. Wie schön, dass so hübsch patinierte Klischees immer noch existieren, immer und überall. Geben sich Franzosen nicht auch immer so «lustige» Namen, Dudu, Mimi, Zazou, Bébél? Vielleicht war ja unser Taxifahrer einer von ihnen, wer will da schofel sein?
Jetzt jeder noch mal aufs Zimmer, frisch gemacht, gekämmt, dann gleich ins Museum, zum Soundcheck. Vorher hatte ich noch Stallorder ausgegeben, bitte «weiß» kleiden, wie die Droogs aus «Clockwork Orange», Alex, Georgie, Pete und Dim, es war das erste und letzte Mal, dass ich auf einem anachronistisch einheitlichen Erscheinungsbild bestand. Didi: «I hob nur a beige Hosn, paasst!», halb weiß halb beige, klingt doch schon viel besser, wie Half Man Half Biscuit , das war mal für anderthalb Wochen meine Lieblingsband, aber als Seelenzustand begleitet sie mich bis heute.
Im Museum dann sogar noch die letzten paar Stunden vor der Eröffnung betriebsame Emsigkeit, der Tross der Gelitinknechte, zumeist Billiglohnarbeiter aus Island, sie klopfen und hämmern an der gigantischen Installation herum, gießen eimerweise Melasse über die abenteuerlich zusammengehämmerten Sperrholzkonstruktionen, so als wollten sie sie zur Sicherheit auch noch zusammenkleben, ein Holzhäuschen, in dem sich ein Klo befindet, bei dem man über eine Spiegelkonstruktion den Weg seiner Ausscheidung verfolgen kann, wird «abgenommen», aber nicht von einer technischen Fachkraft, sondern von einem, der gerade muss , eine Gruppe Isländer knetet letzte Mona Lisas aus FIMO Modelliermasse zusammen, der Käsefuß, das Herz der Ausstellung, ist aber schon fertig und thront wie ein Buddha über allem. Ein lustloser Franzose macht den Soundcheck,
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