Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
essen Wurme.») Logisch, dass ich das genau so abdruckte, bei der Mühe, die er sich gegeben haben muss. Pita kommt von der Musique concrète, er hat dem überstrapazierten Begriff von der gefrorenen Musik neue Bedeutung eingehaucht, da wo Arthur Schopenhauer Architektur sah, hat Pita einfach das drollige Summen von Kühlschränken aufgenommen und «auf Rille gebannt» («Fridge Trax», Mego, 1995), der Klagegesang der großen Absorptionskältemaschine. Er hat auch schon bei Sonic Youth als Aushilfe musiziert (Krach gemacht), jetzt muss er nach Brest, wo er mit dem einen vom Duo Sunn O))) unter dem Namen KTL (Kindertotenlieder) die Leute quält. Grußlos scannt er uns, einen nach dem andern, jedem schenkt er etwa zwei Sekunden Aufmerksamkeit, so als müsse er erst das Ganze aus der Summe seiner Einzelteile bilden. Er ist sympathischerweise ein Mann mit einnehmender Verbalökonomie, und während wir abwarten, was jetzt passiert, dringt aus den tiefverzweigten Schächten seiner Gurgel, über die schmalen, harten Ränder seiner rissigen Lippen lediglich ein wie ein schlecht auf Langwelle eingestelltes Radio klingendes, gepresst gutturales: «Damause.»
Für die Flüge, Übernachtungen und den Auftritt habe ich nie Geld gesehen. Dafür gab’s immerhin ein Küsschen von Mary Kate Olsen, Schnecken bis zum Abwinken, und ich bin mit Käse beworfen worden, das ist doch auch nicht nichts. Die vielen Rechnungen, die ich ans Museum stellte, für die ich extra Geschäftsfranzösisch gelernt hab, blieben offen. Aber dann, drei Jahre später, bekam ich ein Kunstwerk von Gelitin überreicht, einen Stoffvogel, selbstgenäht (vermutlich von Isländern), mit Dackelohren.
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Das Jahr, als Frau Strigl zurückkam
The sweetest moment comes at last
The waitings over
In shock they stare and cue fanfare
When Bobby Fisher’s plane touches the ground
He’ll take those Russian boys and play them out of town
Prefab Sprout
Klagenfurt, ein Jahr später. Alles ist immer noch so, wie man es hinterlassen hatte und vorzufinden wünscht, wenn man wiederkommt, der Bahnhof mit den atemberaubenden Fresken («Wand der Kläger», und auf der anderen Seite «Die Wand der Angeklagten») des einarmigen Giselbert Hoke, gleichermaßen weit entfernt vom Zentrum wie der Wörthersee, in den die Elektroboote nach wie vor und unermüdlich ihre ephemeren Geschichten schreiben. Es ist bratpfannenheiß. Selbst Peter Wawerzinek ist noch da, es scheint sogar, dass es nicht nur einen Wawerzinek gibt, sondern inzwischen gleich mehrere, denn wo man geht und steht und wohin man blickt, Wawerzinek ist schon da, wie der Igel im Märchen, auch wenn er viel zutraulicher ist als ein Igel, schmerzhaft kommunikativ. Er deutet auf sein Gesicht mit begleitenden, entschuldigenden Grimassen: «Keine Maske.» Wie ein kleines verhaltensauffälliges Kind zappelt er durch den Ort, dessen Namen Telly Savalas mit der Synchronstimme Edgar Otts (sprach auch das Krümelmonster in der «Sesamstraße» und den Hund Gastone in «Herr Rossi sucht das Glück») in einer Folge von «Ein Schloss am Wörthersee» gerade aus dem Flugzeug kommend erstaunte und entzückte: «Diese Leutchen nennen ihre Stadt doch tatsächlich Klagenfurt. » Wawerzinek, oder Wawel, wie sie ihn hier alle liebevoll nennen, scheint von Klagenfurt nicht genug bekommen zu können. Er hat einen Stadtschreiberjob, man grüßt ihn auf der Straße, Kinder ziehen ihm an der Hose, wollen Autogramme, er scheint alle zu kennen, bis zum Ehrenbürger ist es nicht weit. Man sieht ihn im Kikeriki tanzen, im Teatro, im Meyer Lansky, und man meinte ihn auch schon früher im legendären Scotch Club tanzen gesehen zu haben. Er tanzt seinen Namen, tanzend verhunzt er auf eine dennoch unpeinliche Art die Dimension jedes Raums, in den lauen Nächten Kärntens, müde wird er nie, immer ist er der letzte Gast, auch wenn er stets als Erster auf den Beinen ist, mit einem Bierchen, dieser köstlichen Salbe, in der Hand. Wawel scheint also, wiewohl neu im Örtchen, doch schon in kürzester Zeit zu so etwas wie einem Haushaltsgegenstand geworden worden zu sein, der hier schon immer herumstand, Deutschland sucht den Superassimilanten, in Klagenfurt ist er zwischenzeitlich untergekommen.
Neu formiert ist beim Bachmannkampflesen indes die Jury. Nachdem Karin Fleischhanderl im Vorjahr mit ihrer borstigen Art nur auf Unverständnis gestoßen war und offenbar selbst erkannt hatte, hier passe ich nicht her, das ist ein aufeinander
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