Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
ihm ist alles egal, wahrscheinlich vom Museum angestellt, er richtet uns nach dem Motto «Hauptsache Krach» ein. Bei den gigantischen Hallen und den zu erwartenden, schallschluckenden Massen kann sowieso nur von Erfahrungswerten und Vermutungen ausgegangen werden.
Wir gehen noch einen Happen essen, Schnecken natürlich, was soll man in Paris sonst essen, und sind pünktlich, wie vereinbart, um neun wieder zur Stelle.
Das Museum, die untere Halle, alles schon brechend voll, Tausende, die Party des Jahres, sie schieben sich durch die Ausstellung, am nächsten Tag soll sogar eine Mona Lisa fehlen, ein gigantisches Buffet ist unten aufgebaut, Camembert (französischer Weichkäse), das typische Stangenbrot, das der Franzose so gerne unterm Arm spazieren trägt, Rotwein natürlich, der feinste Tropfen für diesen besonderen Anlass, und wir fangen an. Von so etwas wie einem Sound kann man nicht sprechen, das Gemurmel der Gäste, ihre Ausgelassenheit, ihre französische Kunststudentenhaftigkeit und hormonelle Unruhe, ihre talgigen Körper schlucken alles, Fett ist ein schlechter Leiter, ich geige mich um den Verstand, geige mir den sprichwörtlichen Arsch ab und schreie mir die Lunge aus dem Leib. Sie lachen, sie denken, der Typ da oben ist Künstler, der braucht das, der hat Probleme wie wir.
Wir spielen gegen eine Wand aus Ignoranz, Arroganz und Akne, so wie der arme Barpianist oder der Stehgeiger im Wirtshaus, denen auch niemand zuhört. Als dann die Camemberts und Weinflaschen auf die Bühne fliegen, wissen wir, jetzt geht’s los, jetzt werden wir wenigstens wahrgenommen, auf welche Art auch immer. Nachdem dann fünf Zentimeter von Quehes Kopf entfernt (ausgerechnet der Kopf!) eine Flasche Château Lafitte vorbeifliegt, einer gegen eine Monitorbox pisst und direkt vor mir ein Transsexueller im Brautkleid von einem der Isländer mit einer Art Spülbürste gefistet werden soll, springt mir der Draht aus der Mütze. Ich breche das Konzert ab, es hat keinen Sinn. Im Nu stürmen die besoffenen Kunststudenten die Bühne, entwinden mir den Geigenbogen und das Mikrophon, in das einer von ihnen in einer Art glossolalischem Wahnsinn Unflat von sich gibt, auf Ungarisch, sie zerschlagen Flaschen auf der Bühne, hinter der Bühne übergibt sich einer, ach herrlich, Kinder, so soll es doch sein, und so haben sich die Gelitins das wohl auch vorgestellt, nur bin ich nicht betrunken genug, um das genießen zu können. Meine weiße Hose ist rosarot vom Wein, in meinem Haar klebt Brie. Wir räumen hastig das Feld, und ich fliehe mit einem aus Bremen angereisten Freund namens Kledolf (heißt wirklich so: Kledolf Müller) in das nächste Schneckenlokal. Ich weiß nicht, wie Potto, Quehe und Didi da (lebend) weggekommen sind. Am Ausgang stoppt mich die wunderschöne Mary Kate Olsen, Schwester von Ashley Olsen, zusammen bekannt als die Olsen Zwillinge, die als Kleinkinder in der Serie «Full House» gespielt haben, und zwar abwechselnd eine Person oder besser: ein Persönchen. Sie haucht, ihr hätte unser Auftritt gefallen, und ich muss in diesem Moment ausgesehen haben wie ein gefoppter Uhu. Ich bedanke mich und sage, dass ich weitermüsse, Kledolf steht schon unten an der Treppe, ich deute auf ihn, er deutet auf die Uhr, ich sage ihr natürlich nicht, dass ich jetzt Schnecken (auf den Schrecken, haha) brauche, frage aber, ob ihre Schwester auch da sei. Das bejaht sie, und ich sage ihr, dass ich sie, also Mary Kate, immer besser fand. Sie bedankt sich verlegen und küsst mich links und rechts. Benommen torkle ich die Stufen zu Kledolf runter, wir gehen Schnecken essen, die besten Schnecken meines Lebens. Kledolf macht mir Vorhaltungen: Wir hätten sie und ihre Schwester mitnehmen sollen. Eine verpasste Chance mehr.
Am nächsten Morgen sammle ich meine drei Leute wieder ein, und es geht zurück nach Wien. Auf dem Flughafen begegnet uns auf dem Gang der würfelförmige Pita (Peter Rehberg), ein Engländer, der seit 30 Jahren in Wien lebt und maximal vier Worte Deutsch spricht, widerwillig. 1988 habe ich ihn gebeten, für die von mir herausgegebene Amerikanische Krankenhaus Zeitung einen Text über «Half Man Half Biscuit» zu schreiben, auf Deutsch. Der Artikel trug die Überschrift «Halb Mensch Halb Kek», und genauso ging es weiter. («Aber das Stück ‹Rod Hull is Alive Why?› war ein sicher wahnsinn. Rod Hull hat ein Freund aber nicht ein kranke Ente ein garstig Emu. Diese Emu mag sehr gerne kleine alte frauen zum tod machen und
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