Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)
eingeschworener Verein, ein Augenzwinkern hier, eine fahrige Geste da, für Außenstehende kaum wahrnehmbar, für die Beteiligten geheime Codes, schmiss sie, integrationsunwillig, das kratzige Handtuch, und man holte sich eine bewährte Kraft zurück: Daniela Strigl, reich an Preisen (2006 Kathrin Passig/Bachmann und Publikum. 2008 Markus Orths/Telekom Austria und Clemens J. Setz/Ernst Willner. Insgesamt 9 Shortlist-Kandidaten). Kein Mensch hatte verstanden, warum sie damals gegangen war, nach sechs Jahren Dienst mit einem guten Riecher, nun wurde sie noch mehr idolisiert, es gab einen Temple-of-Strigl, ein loser Geheimbund, man hatte sie vermisst.
Kurz vor Klagenfurt treffe ich sie in Wien zufällig auf der Straße und gratuliere ihr zu der Entscheidung, sich wieder dem Wettlesen zu stellen. Begegnungen mit ihr sind immer ein großes Vergnügen, man kommt vom Hundertsten ins Tausendste, so als kenne man sich schon seit der Schulzeit, und seitdem ist gerade mal eine Woche vergangen, innerhalb deren man allerdings vom Du zum Sie gewechselt ist. Natürlich bin ich nicht mit Frau Strigl zur Schule gegangen, weil meine Schulen nicht in Wien standen, ihre aber, und zwar alle im neunten Bezirk (Wasagasse, immer zu spät gekommen, zu nah an der Wohnung), sie war auch nie groß weg von Wien, einmal ein Semester in Philadelphia, auf die Idee wäre sie sicher nicht freiwillig gekommen, da hat eine Freundin sie reingeschubst wie in lauwarmes Wasser voller toter Hunde, und dann ist sie doch umso lieber wieder zurückgekommen. Das war schon so, als sie Kind war, als ihre Eltern mit ihr und der Schwester nach Italien auf Urlaub fuhren, das gefiel ihnen nicht, Spaghetti hin oder her, das Brot war ungenießbar wie das Trinkwasser dort. So groß sei der Widerwille gewesen, dass beide Kinder, wenn es zurückging, auf der Rückbank des VW Käfers mit Kolbenfresser, je näher sie an die österreichische Grenze kamen, gejubelt und demonstrativ mit den Schlüsseln geklingelt und immer lauter zu singen begonnen hätten, vor lauter Glück. Was sie denn da gesungen hätten? «Wahrscheinlich die Bundeshymne», sagt sie lachend. Ich kann das nachvollziehen. Auch für mich gab es als kleines Kind nichts Schöneres als Brot und Wasser, möglichst hart und möglichst kalt.
Frau Strigls Liebe zu Wien ist so groß («die ideale Stadt, ein großes Geschenk, hier wohnen zu können»), dass sie, die, bis auf dieses eine Philadelphia-Intermezzo, nie länger woanders war, vermutet, sie sei aus Gewohnheit leidenschaftlich: Man labt sich am Stillstand, und sie steigert sich in diesen Zustand so hinein, dass sie gar nicht bemerkt, wie ihr Mann das Café Ritter betritt, in das wir uns des beginnenden Regens wegen gesetzt haben, ihr auf die Schulter tippt und flüstert, sie sei so laut, dass man sie bereits auf der Straße höre.
Das ist das Stichwort, sie senkt ihre Stimme konspirativ, so als dürfe das jetzt niemand hören, und raunt, eine Sache, über die sie ewig reden könne, das sei Ulf.
ULF? Ultra Low Floor, die Niederflurstraßenbahn? Ja, Ulf sei zwar leise, sagt sie immer leiser werdend, aber innen stickig wie die Nacht, das sei ja wirklich nicht zum Aushalten, im Gegensatz zu den alten Garnituren mit den großen Schiebefenstern hätten die neuen Wagen nur so kleine Kippfenster, da könne ja gar keine Luft zirkulieren. Dass man da keine Klimaanlagen eingebaut habe, sei wohl nur dem Umstand geschuldet, dass bei der Planung nichts von einer globalen Erderwärmung zu ahnen war. Jetzt hätten sie noch kiemenartige Lamellen eingebaut, aber das sei reine Kosmetik. Und auch an ihrem Lieblingsbadeort, der großen Bucht in der alten Donau, an der Großen-Bucht-Straße, sei etwas schiefgelaufen, durch den Autobahnbau, hier könne auch nichts mehr zirkulieren, der unterirdische, kiesgefilterte Zufluss, der immer für die Frischwasserzufuhr gesorgt hatte, sei verstopft worden. Das wisse jeder, aber seitens des Tiefbauamts nur Schweigen. Hier müssten jetzt dringend Kiemen, Lamellen oder wieder Kies her, sonst würde das bald alles umkippen.
Ein paar Tage später treffe ich sie wieder, auf dem traditionellen Bürgermeisterempfang in Klagenfurt im idyllisch am Wasser liegenden Schlossgarten Maria Loretto, «Der See liegt da wie Nudeln aus Gold und Silber», so hat der deutsche Maler Werner Büttner, Knut Hamsun paraphrasierend, das irgendwo beschrieben. Ich bin betrunken, alle sind betrunken, jeder fühlt sich betrunkener als der nächste Betrunkene neben
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