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Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition)

Titel: Rumgurken: Reisen ohne Plan, aber mit Ziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tex Rubinowitz
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kann), ziehen die Folie von den Aufklebern und haften diese unter unseren Tisch, Momus macht noch ein paar Beweisfotos und sieht dabei so pervers aus, wie er gerne sein möchte, wie jemand, der jungen Mädchen unter den Rock fotografiert. Er erzählt, dass er die Sparks nie leiden konnte, weil seine erste Freundin verliebt war in einen der Sparksbrüder. In Russell, frage ich, den hübschen? Nein, Ron, der mit dem Hitlerbart, alle Mädchen seiner Generation standen auf Ron.
    Ich stelle zur Diskussion, warum immer diejenigen am eifersüchtigsten sind, die auch am untreusten sind. Momus vermutet, sie wollen so ihre Schuld kompensieren, und fragt grinsend, ob ich ihn für eifersüchtig halte. Ich sage, das könne ich nicht wissen, mir sei das auch egal, immerhin gebe es ja von ihm den Song «A Complete History of Sexual Jealousy Parts 17 to 24», dieses großartige Lamento, das bizarrerweise sogar von Manfred Mann gecovert wurde, warum soll das nicht autobiographisch sein? Momus oder ein Erzähler ist darin eifersüchtig auf den Mann, dem eine Frau das Herz gebrochen hat, eifersüchtig auf den Mann, den sie kannte in einer Zeit, in die er nie mehr zurückkehren kann, er glaubt nicht an platonische Liebe, ist aber trotzdem eifersüchtig auf Platon. Momus lacht, nein, er sei höchstens eifersüchtig auf jemanden, der eifersüchtig ist, auf das Gefühl, den bitteren Schmerz. Aber, wende ich ein, der sei doch autodestruktiv, und in jedem Fall vergifte diese Energie das, was man zu lieben vorgibt. Momus meint, es wäre doch klasse, wenn man einen Schalter hätte, mit dem man diese Energiequelle auch ab und zu mal an- und ausknipsen könnte. Er stellt sich das vor wie den süßen Druck einer vollen Blase, den der Genießer hin und wieder durchaus auszukosten weiß. Ich verschweige, dass in mir dann und wann tückische Kräfte der Eifersucht zu toben pflegen, so war ich eine Zeitlang eifersüchtig auf die Chlamydien von Claudia Schiffer, nicht weil sie dem Ort nahe sind, der eigentlich als mein Platz vorgesehen wäre, sondern weil ich dadurch die Macht hätte, dem Mann, der dort ein- und ausgeht, den Zugang zu verwehren.
    Wir verlassen das Seepferdchen, und gehen ins U. Kaleva, wo ich mit Mauri Antero Numminen verabredet bin. Das U. Kaleva ist eine sogenannte «pystybaari», das heißt vertikale Bar, gemeint ist Stehbar, eine Institution in Helsinki, sehr eng, sehr laut, und hier spielen sie ausschließlich finnische Musik. Als wir kommen, ist Numminen noch nicht da. Momus ordert einen Whisky, er freut sich, dass sie seine Marke ( Laphroaig , zu deutsch «Schöne Senke an der weißen Bucht») haben, ein extrem torfiger Fusel («vielleicht der Grund, warum ich nie geraucht habe», aber ich erkläre ihm, dass man Torf schon lange nicht mehr raucht). Ich bestelle ein Karhu-Bier, in diesem einer Suppenschüssel nicht unähnlichen, geriffelten Glas, das schönste Bierglas der Welt, wenn es nicht so dickwandig wäre, würde ich es aufessen vor Glück (an dünnen Gläsern habe ich aus Übermut bisweilen schon geknabbert, wenn man Glas lange kaut, schneidet man sich ja nicht). Momus beschwert sich über die Musik, er hasst Rockmusik, ich sage, er mache es sich zu einfach. Numminen, der gleich kommen wird, kann ihm einen Exkurs darüber halten, wie wichtig gerade Rock ’n’ Roll für Finnland ist.
    Numminen, den ich auch schon einige Zeit kenne, ist ein zweiundsiebzigjähriger Soziolinguist, Komponist, Sänger, Tangoforscher und eine Wittgensteinkapazität. Des weiteren tritt er seit 1977 im Kinderfernsehen im Duo Gommi ja Pommi als Banjo spielender Gommi im Hasenkostüm auf (mit dem Akkordeonspieler Pedro Hietanen als Pommi im Katzenkostüm). Gommi kann als Wortspiel basierend auf dem schwedischen gommen , Gaumen, und dem finnischen kommari , Kommunist, aufgefasst werden. Dann bedeutet der Name des Duos auf Deutsch etwa Der Kommunistengaumen und die Bombe , weil Pommi die Bombe ist.
    Momus meint, so ein Duo würde er jetzt viel lieber hören als diesen schnöden Rock, eine Katze namens Bombe und ein Hase singen Tangos über Wittgenstein. Moment, sage ich, kannst du haben, lieber Freund, gehe zum Gastwirt, der ein Deutscher ist, und frage ihn, ob er etwas von Numminen hat. Natürlich hat er, und natürlich hat er dessen Tractatus-Suite von 1966, die Vertonung der Kritik der Sprache aus Ludwig Wittgensteins «Tractatus logico-philosophicus». Gleich spielt er daraus das deutsch-englische «The General Form of a Truth-Function»

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