Rund um die Ponyfarm
war es das erste Mal, dass wir ganz allein mit unseren Ponys unterwegs waren.
Kirsty war zwar nicht so stämmig und behäbig wie viele andere Hochlandponys, aber sie schritt doch viel verhaltener und bedächtiger aus als Beau. Sie reagierte auch langsamer. Beau hatte die Angewohnheit, bei jedem fremden Geräusch und jeder unerwarteten Bewegung den Kopf aufzuwerfen und die Nüstern zu blähen. Doch Kirsty ließ sich durch nichts beeindrucken, und ich fühlte mich auf ihrem Rücken vollkommen sicher.
„Welchen Weg sollen wir nehmen?“, fragte ich Pete, als er das Gatter hinter uns verschloss.
„Den Bergpfad hinauf und am Hotel Halfway vorüber“, schlug er vor. „Die Gegend dort oben kennen wir noch gar nicht.“
Ich straffte die Zügel und drückte meine Schenkel leicht gegen Kirstys Flanken. Nach einem kurzen Trab verfiel sie jedoch schnell wieder in ihren gewohnten, gemächlichen Schritt. Die meisten Schulpferde sind an ein ruhiges Tempo gewöhnt, und Kirsty sah anscheinend keinen Grund, ihre täglichen Gewohnheiten zu ändern.
„Du kannst sie ruhig mit deinen Absätzen anspornen. Sie schläft ja beinahe ein!“ Pete hatte mit Firefly die gleichen Schwierigkeiten. „Der Reiter bestimmt das Tempo. Das hat Lord Glencairn gesagt. Ein Pony muss schon am Druck der Trense spüren, dass es geführt wird.“
Nach einem erneuten Schenkeldruck und einem leichten Schlag mit den Absätzen schritt Kirsty schließlich ein wenig williger aus. Mit gesenktem Kopf gehorchte sie den Zügeln, sammelte sich und trabte endlich fügsam vorwärts. Eigentlich war zwischen ihr und Beau gar kein so großer Unterschied.
Die graue Hochland-Stute war neun Jahre alt. Also alt genug, um vernünftig zu sein, wie Carol gesagt hatte. Trotzdem war Kirsty noch weit davon entfernt, sich müde und gebrechlich vorwärtszuschleppen. Ein wenig Ansporn und Führung genügten schon, und die kleine Stute schnaubte vergnügt und schien sich an ihre fast vergessene Jugend zurückzuerinnern.
Nicht jedoch Firefly.
Das dunkelbraune Pony blickte bockig unter seiner zottigen Mähne hervor. Pete musste seiner Stute so manches Mal die Hacken in die Seiten drücken, bevor sie sich bequemte, mit Kirstys zügigem Trab Schritt zu halten.
Schon bald wand sich unser Weg steil den Hang hinauf. Vorsorglich zügelten wir unsere Ponys zu einem langsamen Schritt. Und dann sahen wir auch schon das Hotel Halfway vor uns liegen. Dafür, dass Herr Nicol gestern noch zwei unserer Gäste wegen angeblicher Überfüllung fortgeschickt hatte, sah das Haus heute überraschend verlassen aus. Nur der Chevrolet, der Wagen des Besitzers, stand auf dem Parkplatz. Doch dann entdeckte ich noch ein anderes Fahrzeug, einen großen Laster, der gut versteckt hinter einem dichten Gehölz von Holundersträuchern parkte.
„Sieh mal, Pete!“ Ich wies mit meiner Reitgerte zu den Sträuchern hinüber. „Ist das nicht der Pferdetransporter, der Ballantrae zu Lord Glencairns Hof gebracht hat? Ich dachte, Alfie wäre jetzt schon auf der Autobahn und auf dem Weg zurück nach Epsom.“
„Wahrscheinlich ist es ein anderer Wagen.“ Pete fand nichts Besonderes daran. „Nicht jeder rote Pferdetransporter kommt unbedingt aus John Devereaux’ Reitstall, du Schlaumeier. Vielleicht ist es auch nur ein ganz normaler Laster oder ein Viehwagen.“
„Ein Viehtransporter hat Gitterstäbe an den Seiten.“ Ich richtete mich in meinen Steigbügeln auf, um besser sehen zu können. „Es ist doch ein Pferdetransporter! Ganz bestimmt! Und es ist derselbe Wagen, mit dem Ballantrae hergebracht wurde. Ich bin ganz sicher, Pete. Komisch, ich habe so ein eigenartiges Gefühl. Irgendetwas ist faul an dieser Sache.“
„Ach Pippa, du siehst mal wieder Gespenster. Du und deine Ahnungen!“ Kopfschüttelnd nahm Pete Fireflys Zügel auf und trieb die Stute zu einem leichten Trab an. „Wir machen uns besser aus dem Staub, bevor jemand kommt und uns fortjagt. Herr Nicol hat den Reiterhof anscheinend ja nicht gerade ins Herz geschlossen. Und wenn er uns hier herumlungern sieht, wird alles nur noch schlimmer.“
„Dort drüben, das muss er sein!“ Bei einem Blick über Petes Schulter war mir in der Nähe der Sträucher ein Mann aufgefallen. Er war ungefähr Mitte vierzig, und in seinen braunen Haaren glänzte so viel Brillantine, dass sie schon beinahe schwarz wirkten. Er trug Cordhosen, eine ärmellose karierte Weste über einem Khaki-Hemd und eine elegante, getupfte Fliege, die überhaupt nicht zu seiner
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