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Rune der Knechtschaft

Titel: Rune der Knechtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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was Marikani schon erfahren hatte: Die Fürstentümer würden keine Truppen schicken, wenn der Konflikt ausartete, aber sie würden alles tun, um die Truppen des Emirs aufzuhalten, indem sie ihnen den Zugang zu sämtlichen Häfen verwehrten, die sie kontrollierten.
    Im Laufe des Nachmittags wurden ein leichtes Essen und Wein aus Reynes aufgetragen. Arekh übergab dem Sekretär danach einen Beutel voll Gold, um ihm dafür zu danken, dass er »Verständnis für die Interessen beider Länder« gezeigt hatte: Er bestach ihn also, damit er nicht zu verschwiegen war, was die Befehle anging, die er aus den Fürstentümern erhielt.
    Der Inhalt der Börse war wohl reichlicher bemessen als gewöhnlich, denn der Sekretär schenkte Arekh ein breites Lächeln, nachdem er das Gold gezählt hatte. »Ich bin immer etwas unruhig, wenn ich es mit einem neuen Ratgeber zu tun habe«, erklärte er, »aber Ihr erscheint mir vernünftig … Ich hoffe, dass unsere Zusammenarbeit sich als fruchtbar erweisen wird.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte Arekh, der andere Dinge im Kopf hatte.
    »Und außerdem stammt Ihr aus den Fürstentümern«, fuhr der Sekretär fort. »Wir sind Landsleute.« Der Mann musterte ihn einen Moment lang. »Damit unsere Beziehungen
auch weiter unter einem günstigen Stern stehen, werde ich Euch nicht bis zum Einbruch der Nacht aufhalten, wie man es von mir verlangt hat.«
    Arekh starrte ihn an. »Was …? Wer ?«, fragte er verblüfft.
    »Oh, heute Morgen hat mich einer der Offiziere der Leibwache des verehrten Eheri Halios, den Arrethas vor dem Blick seiner Feinde schützen möge, aufgesucht«, erläuterte der Sekretär. »Der Offizier war aus ganz anderen Gründen hier, aber er hat mir hundert Res in Gold zugesteckt und mich wissen lassen, dass Eure Anwesenheit im Palast vor Einbruch der Nacht nicht erwünscht sei und dass er es zu schätzen wissen würde, wenn unser Treffen sich in die Länge zöge.« Der Sekretär nickte zur Tür hinüber. »Aber da ich sehe, dass Ihr, all meinen Bemühungen zum Trotz, aufbrechen wollt, kann ich Euch nicht länger festhalten, ohne Argwohn zu erwecken.«
    Arekh stand auf; ihm war eiskalt.
    »Hundert Res in Gold«, sagte der Sekretär. »Das ist eine bedeutende Summe. Haltet die Augen offen.«
     
    Das Pferd lief nicht schnell genug, so als hätten sich alle Umstände gegen Arekh verschworen. Das Nieseln hatte sich zu einem strömenden Sommerregen ausgewachsen, und das Straßenpflaster war noch rutschiger als zuvor. Arekh musste sein Pferd mehrere Male zügeln, um nicht zu riskieren, dass es sich ein Bein brach. Dann versperrte ihm eine Karawane den Weg, Bürger aus dem Norden, die infolge der Kriegsgerüchte verängstigt ins Herz von Harabec flohen. Am Ende waren da auch noch die Soldaten, die bei den Statuen am Eingang zum zweiten Ring des Palastes wachten und sich genau diesen Moment ausgesucht hatten, um alle, die kamen und gingen, genau zu kontrollieren.

    Eine schreckliche Vorahnung krampfte Arekh den Magen zusammen. »Ich bin da«, hatte er vor einigen Wochen zu Marikani gesagt, als Harrakin von den Gefahren des Hofes gesprochen hatte.
    Aber er war nicht da. Er war nicht da gewesen, und wenn etwas geschehen war … wenn gerade etwas geschah …
    Er parierte sein Pferd vor dem Hauptgebäude, dass der Kies aufstob. Es regnete noch immer, und der Hof war fast verlassen, wenn man von den Leichen absah, die nun im Schutze eines großen Zelts lagen. Ein Adliger schrieb an einem Gartentisch einen Brief; das Wasser trommelte auf seinen Sonnenschirm.
    Keine Massenpanik, keine Zeichen der Trauer, keine Hysterie unter den Dienern … Noch konnte nichts geschehen sein - doch nicht in diesen paar Stunden, nicht wahr? Aber Arekh wusste, dass er sich belog. Eine Situation konnte binnen weniger Augenblicke umschlagen.
    Er betrat das Verwaltungsgebäude und riss die Tür dabei so heftig auf, dass er einen dösenden Wachsoldaten aufscheuchte. Die Räume wirkten verlassen. Was hatte Marikani an diesem Nachmittag vor? Er versuchte, sich zu erinnern. Es war ein Treffen mit Gesandten aus Sleys angesetzt, ein Ritual zu Ehren Lâs …
    Niemand war im Herbstschreibzimmer. Am Ende begegnete er Behia Varin, der eine Reihe von Schriftrollen unter dem Arm trug, auf dem Korridor.
    »Wo ist sie?«, fragte Arekh brüsk, und Behia starrte ihn verständnislos an. »Ayashinata Marikani«, sagte Arekh. »Wo ist sie?«
    »Das Treffen mit Sleys ist abgesagt worden«, erklärte Behia, der schlecht gelaunt zu sein

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