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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erlosch.
Noch bevor Sean das Haus erreichte, war die Luft draußen so klar und unbewegt wie zuvor. Und der geheimnisvolle Fremde war verschwunden.
Sean kam herein, warf die Tür hinter sich zu und stapfte
mit übertrieben heftigen Schritten zum Tisch, um den
Schnee von den Stiefeln und seiner Kleidung zu schütteln.
Immer noch schweigend und mit einem Gesichtsausdruck,
der Raum für jede nur denkbare Auslegung zuließ, streifte
er den Mantel von den Schultern, ließ ihn achtlos zu Boden sinken und griff nach einem Becher mit Glühwein,
den der Wirt ihm vorsorglich gebracht hatte. Erst nachdem
er ihn mit einem einzigen Zug geleert hatte und sich mit
dem Handrücken über die Lippen gefahren war, brach
Patrick das Schweigen.
»Und?«, fragte er. »War er es?«
Sean maß ihn mit einem sonderbaren Blick und sah erst
kurz zu Gwinneth und Dulac herüber, bevor er antwortete.
»Ich glaube, ja.«
»Du glaubst?« Zwischen Patricks buschigen Augenbrauen entstand eine steile Falte. »Was soll das heißen?«
»Was ich sage«, knurrte Sean unwillig. »Ich glaube, dass
er es war. Ich bin nicht ganz sicher.«
»Moment«, mischte sich Gwinneth ein. »Verstehe ich
dich richtig? Du bist nicht ganz sicher, ob es derselbe
Mann ist, mit dem du vor ein paar Wochen gesprochen
hast?«
»Genauso ist es, Mylady «, sagte Sean verärgert.
»Und was hat er gewollt?«, fragte sein Onkel, bevor
Gwinneth Gelegenheit bekam, eine weitere spitze Bemerkung anzubringen und Sean damit noch mehr zu reizen.
»Er hat mir mitgeteilt, wohin wir die beiden bringen sollen.«
»Ich dachte, das hier wäre der Treffpunkt«, sagte Gwinneth scharf.
Sean durchbohrte sie regelrecht mit Blicken, antwortete
aber mit einigermaßen beherrschter Stimme. »Das dachte
ich bisher auch. Aber ich habe neue Anweisungen bekommen. Ihr werdet Euch freuen, Mylady. Er hat gesagt,
wir sollen Euch nach Tintagel geleiten.«
»Tintagel?«, keuchte Gwinneth. Und auch Dulac riss
ungläubig die Augen auf.
»Was missfällt Euch daran?«, grollte Sean. »Immerhin
ist es Eure Burg. Wenn Ihr irgendwo sicher seid, dann
doch wohl dort, oder?«
»Ja, und wenn Artus uns irgendwo sucht, dann doch
wohl dort«, antwortete Gwinneth verärgert. Sie lachte
schrill. »Großer Gott, was für ein genialer Plan! Warum
bin ich nicht gleich von selbst darauf gekommen?«
Sean warf ihr einen weiteren bösen Blick zu, war allerdings klug genug, auf eine Fortsetzung des Gesprächs zu
verzichten. Stattdessen wies er den Wirt mit einem herrischen Wink an, ihm einen weiteren Becher Wein zu bringen, und bückte sich nach seinem Mantel. Als er mit der
Hand in der Tasche grub, klirrte es vernehmlich.
»Hier ist die versprochene Summe«, sagte er, während er
eine Hand voll Goldmünzen auf den Tisch warf.
Die Worte galten seinen Brüdern, die aufgeregt und erstaunt näher kamen und die Münzen mit einer Mischung
aus Faszination und Gier anstarrten. Auch Dulac war einigermaßen überrascht. Er machte sich nicht die Mühe, das
Geld zu zählen, aber er erkannte auch so, dass vor Sean
und seinen Brüdern ein kleines Vermögen auf dem Tisch
lag. Selbst für eine entflohene Königin und einen Ritter,
der seinen Treueid gebrochen hatte, erschien ihm das eine
erstaunlich hohe Belohnung.
Doch da war auch noch etwas, was ihn verwirrte. Über
die große Entfernung und bei der schlechten Sicht hatte er
Sean und seinen unheimlichen Besucher natürlich nicht
deutlich erkennen können – aber er war dennoch ziemlich
sicher, dass der Fremde ihm nichts gegeben hatte. Und
zumindest Seans Onkel schien die gleiche Beobachtung
gemacht zu haben, denn er maß den breitschultrigen Iren
mit einem sehr langen, zwar wortlosen, aber zugleich auch
beredten Blick und sah plötzlich sehr nachdenklich aus,
fast schon ein bisschen bestürzt, wie Dulac fand. Er war
auch der Erste, der sich schließlich vorbeugte und die
Hand nach den Goldstücken ausstreckte. Zögernd, so als
hätte er Angst, dass sich die glänzenden Münzen im letzten Moment in ein ekliges Insekt verwandeln und ihm in
die Finger beißen würden, nahm er eines der Goldstücke
auf, drehte es nachdenklich hin und her und prüfte seine
Echtheit schließlich, indem er darauf biss und anschließend den winzigen Abdruck begutachtete, den seine Zähne
in dem weichen Gold hinterlassen hatten. Sean sah ihm
schweigend zu, aber sein Gesichtsausdruck wirkte alles
andere als versöhnlich.
»Also gut, dann reiten wir nach Tintagel«, stellte Patrick

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