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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hälfte ihrer Tagesreise
in Angriff nahm, reagierte er auf ein abermaliges Klopfen
und befahl der körperlosen Stimme auf der anderen Seite
der Tür mit harschen Worten, ihm etwas zu essen zu bringen und eine Schale mit warmem Wasser, damit er sich
waschen könne.
    Es verging noch eine geraume Weile, bis schließlich die
Tür geöffnet wurde und der grauhaarige Alte, der ihn in
der vergangenen Nacht am Tor in Empfang genommen
hatte, kam herein und lud ein gewaltiges hölzernes Tablett
auf dem Tisch ab, auf dem sich neben einer Schale mit
dampfend heißem Wasser auch saubere Tücher, ein Krug
und ein Zinnbecher, sowie ein Korb mit Brot, einer mit
getrocknetem Obst und ein Stück gebratenes Fleisch befanden.
    Lancelot sah nicht einmal in seine Richtung, sondern
starrte weiter unverwandt und reglos gegen die Decke, wie
er es die ganze Nacht und den ganzen Tag über getan hatte. Dennoch entgingen ihm die verstohlenen, fast ängstlichen Blicke nicht, die ihm der alte Mann zuwarf, während
er sich beeilte seine Last abzuladen, um dann so schnell,
dass es nicht gerade unhöflich wirkte, das Zimmer wieder
zu verlassen.
    Erst als er wieder allein war, erhob er sich. Er war weder
hungrig noch verspürte er tatsächlich das Bedürfnis, sich
zu waschen oder auch nur umzuziehen; er hatte Schild und
Schwertgurt abgelegt und auch den Helm, sich aber ansonsten in voller Rüstung auf dem Bett ausgestreckt. Aus
einem Grund, den er sich selbst nicht erklären konnte und
der ihm im Moment auch völlig gleichgültig war, empfand
er beinahe Unbehagen bei dem Gedanken, die silberne
Rüstung abzulegen. Selbst Helm, Schild und Schwert fehlten ihm irgendwie.
    Ja vielleicht war gerade dieses absurde Bedürfnis der
Grund, aus dem er schließlich doch seine Rüstung ablegte,
zwar umständlich und langsamer, als notwendig gewesen
wäre, fast widerwillig, aber doch ohne innezuhalten. Sorgsam, als wäre sie sein kostbarster Schatz, drapierte er sie
dann auf dem Bett, stellte den Runenschild daneben und
legte die Elbenklinge auf den Sims des Kamins auf der
anderen Seite des Zimmers. Er war kalt, und so wie er
aussah, hatte seit Monaten kein Feuer mehr darin gebrannt, aber als er sich zum Essen an den Tisch setzte,
hatte er den Kaminsims mit dem Schwert genau im Blick.
Auch das erschien ihm wichtig, ohne dass er einen Grund
dafür hätte benennen können.
    Trotz der bitteren Kälte, die in dem Zimmer herrschte,
legte Lancelot auch noch den Rest seiner Kleidung ab und
wusch sich mit dem warmen Wasser, das der Diener gebracht hatte. Doch er fühlte sich hinterher keineswegs
sauberer. Das, womit er sich in der zurückliegenden Nacht
beschmutzt hatte, ließ sich nicht mit Wasser abwaschen.
    Kaum hatte er sich mit einem der groben Leinentücher
abgetrocknet, da begann er erneut und jetzt so sehr zu frieren, dass er mit den Zähnen klapperte und am ganzen Leib
zitterte, obwohl er sich nach allen Kräften bemühte, es zu
unterdrücken. Vermutlich hätte es nur eines Wortes von
ihm bedurft und die Diener hätten ein Feuer im Kamin
entzündet, doch stattdessen schlüpfte Lancelot nur in seine
Kleider und nahm anschließend die Decke vom Bett, um
sie wie einen Mantel um seine Schultern zu schlingen. Er
fror hinterher kaum weniger.
    Und er war noch immer nicht hungrig. Ganz im Gegenteil: Der Anblick der kargen Mahlzeit, die der Diener gebracht hatte, bereitete ihm Unbehagen, ja fast Übelkeit.
Dennoch zwang er sich zum Essen.
    Die Mahlzeit entsprach dem, was ihr Anblick erwarten
ließ: In dem Krug befand sich dünner, offensichtlich mit
Wasser gestreckter Wein, das getrocknete Obst war fast
ungenießbar, und wenn er an dem Brotlaib eine Kette befestigt hätte, hätte er ihn gut als Morgenstern benutzen
können. Selbst die spärlichen Mahlzeiten, die Gwinneth
und er sich in den zurückliegenden Monaten oft genug
hatten erbetteln und manchmal auch stehlen müssen, waren meist nahrhafter gewesen. Lancelot wollte sich trotzdem nicht beschweren. Er glaubte nicht, dass man ihm
dieses ärmliche Essen vorgesetzt hatte um ihn zu kränken
– und selbst wenn, wäre es ihm gleich gewesen. Obwohl
sich sein Magen bei jedem Bissen zusammenzuziehen
schien, leerte er den Teller bis auf den letzten Krümel und
trank den größten Teil des Weines. Schließlich stand er
auf, zog die Decke enger um die Schultern zusammen und
trat ans Fenster.
    Der Anblick, der sich ihm bot, erfüllte ihn mit einem leisen Gefühl von

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